Humorkritik | Mai 2016
Mai 2016
»Man verzeihe mir, daß ich im flipprigen Tone eine Streitfrage behandle, von deren Lösung das Wohl Englands und daher vielleicht mittelbar das Wohl der Welt abhängt. Aber eben je wichtiger ein Gegenstand ist, desto lustiger muß man ihn behandeln. Das wissen die Engländer, und daher bietet ihr Parlament auch ein heiteres Schauspiel des unbefangensten Witzes und der witzigsten Unbefangenheit, bei den ernstesten Debatten.«
Heinrich Heine, »Englische Fragmente«
Anstalt revisited
Kabarett ist mir ja meist ein rotes Tuch gewesen. Nur mit aller Vorsicht habe ich vor nun auch schon wieder neun Jahren das satirische ZDF-Format »Neues aus der Anstalt« empfehlen mögen (damals noch mit Urban Priol und Georg Schramm) – wenn schon nicht der Komik, so doch der politischen Position wegen, die sich von dem, was da Mainstream heißt, grosso modo abhob; auch wenn Priol späterhin, in Sachen Finanzweltherrschaft, in gewisse Grau- und Braunzonen driftete, dem Mainstream also doch wieder entgegen.
»Die Anstalt«, wie sie mittlerweile von Max Uthoff und Claus von Wagner verantwortet wird, ist politisch astrein. Man muß das dazusagen, weil Kabarett eine politische Kunst ist und so lange eine derart sozialdemokratische war, daß ich’s nicht mehr hören wollte. Da sich Sozialdemokratie und Mehrheitskabarett (Nuhr) ja rechts getroffen haben, füllen Uthoff und von Wagner die linke Lücke, und zwar sehr intellektuell, informiert und elegant, ohne jeden Gratismut, dafür mit dem streng unpopulistischen (»Wollen Sie schon wieder mit Fakten die Stimmung relativieren?«) Bekenntnis zu Aufklärung, Humanitas und allem, was der Marktstaat und seine Agenten unter die Räder nehmen. Das ist so lustig, wie es politisches Lehrtheater zuläßt, und nicht jeder Gast ist ein Gewinn; aber wie tröstlich, mit der herrschenden Meinung nicht allein zu bleiben. Und daß nicht eins unserer scheißliberalen Bürgerblätter, sondern Konkret Max Uthoff zum großen Interview lud (online verfügbar und unbedingt lesenswert), darf dieser ruhig als Auszeichnung verstehen.