Humorkritik | Juni 2016
Juni 2016
»Obwohl es nicht den Anschein hatte, hätte er gerade jetzt Zuspruch nötig gehabt, aber nun schienen die Herren ermüdet, Rabensteiner sah rechts aus dem Wagen, Kullich links, und nur Kaminer stand mit seinem Grinsen zur Verfügung, über das einen Spaß zu machen leider die Menschlichkeit verbot.«
Franz Kafka, »Der Prozeß«

So zwiebelt Pakistan
Man verzeihe mir, wenn ich mir nicht mehr die Mühe mache, die Vielzahl der Ableger, welche die amerikanische Nachrichtenparodie The Onion im Netz gefunden hat, einzeln zu kommentieren – sie machen ja, ob sie sich in der Schweiz nun »Der Enthüller« oder in Österreich »Die Tagespresse« nennen, im wesentlichen alle dasselbe, nämlich Schlagzeilen lustig ummodeln. Hinweisen möchte ich allerdings auf die pakistanische »Khabaristan Times«, weil ich doch überrascht war, wie viel in dem islamischen Land geht: Sehr amüsiert liest man in der Online-Postille (deren Name, grob übersetzt, »Nachrichtistan« bedeutet) Überschriften wie »NASA finds evidence of Allah on Mars«; auch finden sich immer wieder Parodien auf kurrente muslimische Verschwörungstheorien, etwa in der Meldung, daß die meisten Mitglieder des Islamischen Staats unbeschnitten seien (und damit Nichtmuslime; der IS gilt manchen als rein westliche Verschwörung). Die Spitze der meisten Beiträge ist konsequent nach innen, auf politische und religiöse Machthaber Pakistans gerichtet und sorgt deshalb beim europäischen Leser gelegentlich für Ratlosigkeit. Damit unterscheiden sie sich allerdings wohltuend von der Israel- und Amerikaobsession vieler Witzemacher nicht nur in dieser Weltregion (»Israeli government, Mossad take responsibility for everything wrong in Pakistan«, heißt es ein wenig erschöpft bei »Khabaristan«). Natürlich kriegt auch der Drohnenkrieg der USA sein Fett weg; allerdings wird hier vor allem die verlogene Haltung der eigenen Regierung angegangen. Allgemeinmenschliches versteht auch der europäische Gastleser: So wird die Frömmelei des amtierenden Informationsministers durch die Falschmeldung verhöhnt, er verschweige aus Schamgefühl den Studienort seines Sohnes, Middlesex, und eine religiöse Miliz verurteilt die unislamisch niedrige Zahl an Chicken-Nuggets in örtlichen McDonald’s-Filialen.
Die populäre Seite, deren Macher Jon Stewart als ihr Vorbild nennen, existiert bereits seit zwei Jahren. Man darf hoffen, daß es noch einige mehr werden.