Humorkritik | Juni 2016
Juni 2016
»Obwohl es nicht den Anschein hatte, hätte er gerade jetzt Zuspruch nötig gehabt, aber nun schienen die Herren ermüdet, Rabensteiner sah rechts aus dem Wagen, Kullich links, und nur Kaminer stand mit seinem Grinsen zur Verfügung, über das einen Spaß zu machen leider die Menschlichkeit verbot.«
Franz Kafka, »Der Prozeß«

Die Politik des Lachens
Noch immer weiß ich wenig anzufangen mit dem, was der Volksmund und die nicht selten noch dümmeren Vertreter des professionellen Meinens unter »politischer Korrektheit« verstehen. Das Tabuisieren bestimmter Begriffe des herrschenden Rassismus, Sexismus usw.? Dieses meist von universitären Gruppen betriebene Vorhaben scheint mir zu selten erfolgreich; es hat zumindest hierzulande keinen Überbegriff verdient. Und das bißchen öffentlich-schlechtes Gewissen, das es generiert, ist mir eher sympathisch. Doch meine ich als Freund und Kenner von Komik zu erkennen, daß durch solche Bestrebungen bei nicht wenigen jungen Menschen das Verständnis von Ambivalenz und Ironie in Mitleidenschaft gezogen wird; daß die bloßstellende und befreiende Gewalt des uneigentlichen Sprechens und die Freuden der Disziplinlosigkeit einer ständigen, irgendwie protestantischen Selbstüberprüfung zum Opfer fallen, kurz: daß dem Lachen mißtraut wird. Ich weiß nicht, ob Lachen rassistisch sein kann, aber es hat jedenfalls so unterschiedliche Ursachen, es muß nicht zwangsläufig Zustimmung signalisieren. Viel häufiger dürfte es Reaktion auf Unvereinbarkeiten als auf Eindeutigkeiten sein.
Wenn ich also über offenkundigen Sexismus lache, kann ich mich hinterher immer noch fragen, welcher Kontext mir dieses Lachen gestattet hat. Und umgekehrt funktioniert es auch: Wieso mußte ich gerade nicht lachen, obwohl ich etwas potentiell Komisches vor mir hatte? Etwa eine Sammlung lustiger Fotos im Internet, durch welche sich auch der alte Mentz manchmal klickt, weil es im Netzschwarmhumor Helles und Schnelles zu entdecken gibt, das seine Bücherwand nicht so leicht zur Verfügung stellt. Im konkreten Falle: Fotos mit den Ergebnissen der Betreuungsversuche trotteliger Väter, darunter wagemutige Babytransporte, überlaufende Badewannen usf., über die ich trotz einiger heiterer Dämlichkeiten keinen Mundwinkel verzog, weil, wie ich nach etwas Grübeln feststellte, die Sammlung, ja: sexistisch ist. Und zwar ganz klassisch: gegen Frauen. Denn diese Galerie sagt nichts anderes als: So niedlich unfähig sind Väter, laßt mal lieber die Mütter machen! Frauen können das von Natur aus besser.
Was mich das lehrt? Vielleicht sollten die jungen Kämpfer für eine mikro- und dann womöglich später mal makroaggressionsfreie Welt sich häufiger mit (ihrem) Lachen beschäftigen. Macht sicher mehr Spaß als immer nur Neger und dergl. zu jagen.