Humorkritik | Juni 2016

Juni 2016

»Obwohl es nicht den Anschein hatte, hätte er gerade jetzt Zuspruch nötig gehabt, aber nun schienen die Herren ermüdet, Rabensteiner sah rechts aus dem Wagen, Kullich links, und nur Kaminer stand mit seinem Grinsen zur Verfügung, über das einen Spaß zu machen leider die Menschlichkeit verbot.«
Franz Kafka, »Der Prozeß«

Schlachtplatte Wiener Art

Österreich in naher Zukunft: Die Grenzen sind dicht, Homosexualität und Islam sind verboten, man zahlt wieder mit Schilling. Statt Steaks ißt man »Bratfleisch«, die Charts dominiert ein gewisser Wotan Stürmer. Im Kanzleramt sitzt ein Mann, der nicht Hofer heißt und auch nicht Strache, sondern Hichl, aber den Genannten an rechter Gesinnung in nichts nachsteht; währenddessen radikalisiert sich im oberösterreichischen Mühlviertel die Opposition zu militanten »Christiten«. Nachzulesen ist all dies in Klaus Oppitz’ Roman »Landuntergang« (Residenz Verlag, 2016).

Woran liegt es, daß mir die Lektüre Unbehagen bereitet? Das Buch ist konsequent, das Sinnen und Trachten der sogenannten »Rechtspopulisten« wird von Oppitz eifrig übertrieben und fortgesponnen. Doch leider entsteht dabei nur selten Komik: Wenn Hungerleider unter dem zynischen Motto »Langzeitarbeitsscheue zu Textilfachkräften« in Fabriken schuften müssen, wenn der Geschlechtsverkehr zwischen Muslimen und Nichtmuslimen verboten ist, dann sind die Parallelen zwischen Hitlerdeutschland und Hichl-Österreich zwar deutlich erkennbar – aber muß ich das zum Lachen finden? Statt zum Grausen? Man verstehe mich nicht falsch: Kein noch so bedrückendes Thema ist der Satire, deren Eingrenzung nur von Nichtsatirikern gefordert wird, von vornherein entzogen. Und natürlich kann auch ein innerösterreichisches IS-Äquivalent namens »Christliche Republik« satirisch funktionieren. Ich bezweifle aber, daß Hinrichtungen, Fuß- und Fingeramputationen per se komisch sind. Um solche Brutalitäten erzählerisch zu bewältigen, braucht es Distanz, Ironie, eine zweite Ebene, nicht explizite Darstellung. Sonst erstarrt der Text zu einem Mahnmal gegen Unmenschlichkeit.

Aber für Distanz, Ironie usw. sind die Protagonisten zu dicht am Geschehen dran. Erzählt wird »Landuntergang« nämlich aus der Ich-Perspektive, und zwar abwechselnd von vier verschiedenen Figuren, von denen mindestens drei als nicht zurechnungsfähig gelten können. Warum aber soll ich mir den Wahnsinn einer Terrormiliz und einer faschistischen Diktatur ausgerechnet von schwer naiven, unreifen oder dauerhaft zugedröhnten Kindsköpfen schildern lassen? Ich weiß, ich habe keine Ansprüche anzumelden, aber: Wäre dem nicht der kühle Ton eines Reiseberichts eher angemessen gewesen?

»So schrill, als hätten Monty Python beim IS angeheuert«: derart bewirbt sich der Roman. Und bringt damit die Begriffsverwirrung auf den Punkt: Denn der IS ist kein Komikverstärker, sondern eine real existierende Terrortruppe. Ich fand das Ganze jedenfalls so lustig, als hätte Wolf Haas zehn Menschen abgeschlachtet.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Weiter so, uruguayischer Künstler Pablo Atchugarry!

Eine angeblich von Ihnen geschaffene Bronzeskulptur im englischen Cambridge soll an Prinz Philip erinnern, der dort von 1977 bis 2011 Kanzler der Universität war. Allerdings wird das Kunstwerk, das im Auftrag eines reichen Bauträgers angefertigt wurde, von vielen als verunglückt empfunden und zieht seit nunmehr zehn Jahren Spott auf sich.

Dass Sie mittlerweile die Urheberschaft leugnen, um Ihr Renommee als Künstler zu schützen, ist zwar verständlich, aber aus unserer Sicht völlig unnötig. Wenn sich das Konzept durchsetzt, lästige Promis, die uns über Jahrzehnte viel Zeit, Geld und Nerven gekostet haben, mit langlebigen Schrott-Monumenten zu schmähen, werden Sie sich vor Aufträgen bald kaum noch retten können. Und das Beste: Weil andere Großkopferte sich mit ihren Eskapaden zurückhalten würden, um nicht von Ihnen verewigt zu werden, sorgten Sie auch noch für Ruhe und gesellschaftlichen Frieden.

Hofft, dass dieser Vorschlag einen Stein ins Rollen bringt: Titanic

 Warum, Internet?

Täglich ermöglichst Du Meldungen wie diese: »›Problematisch‹: Autofahrern droht Spritpreis-Hammer – ADAC beobachtet Teuer-Trend« (infranken.de).

Warum greifst Du da nicht ein? Du kennst doch jene Unsichtbar-Hand, die alles zum Kapitalismus-Besten regelt? Du weißt doch selbst davon zu berichten, dass Millionen Auto-Süchtige mit Dauer-Brummbrumm in ihren Monster-Karren Städte und Länder terrorisieren und zum Klima-Garaus beitragen? Und eine Lobby-Organisation für Immer-Mehr-Verbrauch Höher-Preise erst verursacht?

Wo genau ist eigentlich das Verständlich-Problem?

Rätselt Deine alte Skeptisch-Tante Titanic

 Grüß Gott, Businesspäpstin Diana zur Löwen!

Du verkaufst seit Neuestem einen »Anxiety Ring«, dessen »bewegliche Perlen« beim Stressabbau helfen sollen. Mal abgesehen davon, dass das einfach nur das hundertste Fummelspielzeug ist, kommen uns von ihren Nutzer/innen glorifizierte und zur Seelenerleichterung eingesetzte bewegliche Perlen an einer Kette verdächtig bekannt vor.

Ist für Dich natürlich super, denn auch wenn Du Deinen treuen Fans skrupellos das Geld aus der Tasche ziehst, in die Hölle kommst Du zumindest für diese Aktion sicher nicht.

Auch wenn dafür betet:

Deine Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
07.05.2024 Köln, Stadthalle Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
07.05.2024 Frankfurt am Main, Club Voltaire »TITANIC-Peak-Preview« mit Kathrin Hartmann
08.05.2024 Wiesbaden, Schlachthof Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
09.05.2024 Zürich, Friedhof Forum Thomas Gsella