Humorkritik | Januar 2016
Januar 2016
»Ich schreibe einen Satz und muß lachen. Dann stimmt’s normalerweise.«
Rainald Goetz
Täglicher komischer Schauder
Die Idee ist nicht neu und doch so charmant wie beeindruckend: Der junge amerikanische Künstler Dakota McFadzean zeichnet seit 2010 jeden Tag einen meist aus vier Panels bestehenden Comicstrip für seine Webseite. Im ersten Jahr noch schwarz-weiß, nehmen die Comics schleichend an Qualität zu, um etwa Mitte 2011 ihre markante Form zu finden und beizubehalten. Diese stilistische Evolution läßt sich sehr schön in dem vor einer Weile erschienenen Printband »Don’t Get Eaten by Anything: A Collection of the Dailies 2011–2013« (Conundrum Press) ersehen. Auch, was den Inhalt angeht, baut sich rasch ein vielfarbiger Kosmos vor einem auf, wenn man die Comics nicht in Tagesdosen, sondern in halbstündigen Sitzungen munter blätternd nacheinander wegkonsumiert. Bestandteile dieses Kosmos sind: sprechende Hunde, unbesiegbare Babys, existentialistische Zugvögel, suizidale Dämonen, alpträumende Tauben, fliegende Köpfe und überhaupt jede Menge body horror und Nihilismus an der Grenze zur Erträglichkeit. Zwischen all dem ganglienverknotenden Wahnsinn bietet der Wälzer freilich auch viele Glucksanlässe (sonst würde ich ihn an dieser Stelle nicht empfehlen): Ein kleiner Junge erzählt seinem Freund von der Nützlichkeit der Spinnen, und im letzten Bild sehen wir, daß im Gehirn des Buben eine Spinne wohnt; eine frustrierte Büroangestellte sinniert darüber, was sie in einem Paralleluniversum Spannendes mit ihrem Leben angestellt hätte – in einem solchen sitzt sie dann am exakt selben Arbeitsplatz, mit einem lustigen Hut auf dem Kopf; ein Mann stürzt in den Tod und muß auf halber Strecke schmunzeln, weil er etwas Heiteres auf seinem Mobiltelefon schaut … Nun, gezeichnet hat das alles eine stärkere Wirkung. Glauben Sie’s Ihrem alten Wortmaler Mentz.