Humorkritik | März 2015
März 2015
»Clowns sind traurig. Es sind die Leute, die über sie lachen.« – »Gut, ich werde eine neue Art Clown sein. Ich werde in der Manege stehen und über die Leute lachen.«
Harper Lee

Witz im Sterbezimmer
Was bin ich froh, daß ich kein Philosophie-, sondern nur Humorkritiker bin! Weshalb ich denn auch Slavoj Žižeks Büchlein »Žižek’s Jokes. Treffen sich zwei Hegelianer…« (Suhrkamp) nicht philosophie-, sondern humorkritisch zu beurteilen und danach zu fragen habe, was für Jokes »der popphilosophische Erklärbär im fleckigen T-Shirt« (Die Zeit, aber hallo!), »böse Clown« (Taz), wenn nicht gar »Schwafelslawe« (ein Satiremagazin), zumindest aber wenigstens und allemal Kapitalismuskritiker, Kommunismusaficionado, Lacankenner usw. usf. denn so erzählt – und vor allem: wie er das macht.
Was die Spielart der aus allerlei älteren Werken Žižeks zusammenkompilierten Witze angeht, bewegt sich der Autor weitgehend auf abgesichertem Gelände, handelt es sich doch mehrheitlich um Bewährtes, zum Beispiel den oft zitierten Ravelli-Witz der Marx-Brothers: »Der oft zitierte Ravelli-Witz der Marx-Brothers (›Du schaust aus wie Ravelli.‹ – ›Aber ich bin Ravelli!‹ – ›Dann ist es kein Wunder, daß du aussiehst wie er!‹) endet mit Ravellis jubelndem Schluß: ›Ich sehe mir eben ähnlich!‹«
Žižek wiederum sieht es ähnlich, daß seine Jokes im Žižek-Werk die Funktion haben, des Denkers Gedanken zu illustrieren: »Wir wollen die Reflexivität des Signifikanten zweiter Ordnung anhand eines morbiden Witzes verdeutlichen.« Selbst wenn »wir« das wollen sollten, so möchten wir dann doch Besseres erzählt bekommen als den versprochenen »morbiden« Witz, denn der geht so: »Ein Patient in einem großen Krankenzimmer mit vielen Betten beschwert sich beim Arzt über den ständigen Lärm und das Geschrei der anderen Patienten, die ihn wahnsinnig machen. Der Arzt antwortet, da könne man nichts machen, denn schließlich könne man ihnen nicht verbieten, ihre Verzweiflung kundzutun, da sie alle wüßten, daß sie sterben müssen, worauf der Patient ihn fragt: ›Warum verlegen Sie sie dann nicht in ein separates Sterbezimmer!‹ Der Arzt überlegt nicht lange und sagt ruhig: ›Das hier ist das Sterbezimmer.‹« Umständlich steuert der Witz auf eine Pointe zu, die weniger komisch ist denn bedrückend. Wenn an diesem (für Žižek durchaus repräsentativen) sterbenslangweiligen Witz etwas deutlich wird, dann weniger die Reflexivität irgendeines Signifikanten zweiter Ordnung, als vielmehr der signifikant auffällige Umstand, daß Žižek zumindest eines nicht kann: Witze erzählen. So einfach ist das – zumindest für einen Humorerklärer wie mich.