Humorkritik | Mai 2014
Mai 2014
Post festum
Wenn wir Großstädter müde sind, erschöpft vom Kreativsein, Kompromissemachen und Mietezahlen, dann zieht es uns aufs Dorf, in die Uckermark vielleicht, und wir finden See und Wald und Flur und Fuchs und Schenke, und wir lesen die Dorfchronik und lauschen den Eingeborenen, die sich daran erinnern, wie Großmutters Perücke roch und wie es früher war, in der DDR, nämlich nicht so gut, denn da kam die Stasi und wollte die Kirchenglocken verbieten, man denke, die Glocken!, die uns geläutet haben jahrhundertelang und jetzt die Arbeitslosen und Käuze und anderen autochthon Literaturtauglichen bewachen, denn seit Siegfried Lenzens Masurenschnurren ist ja auch schon wieder Zeit vergangen, wie die Zeit ja immer vergeht, und das ist schön und wundersam und unbedingt bedenkenswert. »Vielleicht feiern wir einfach, daß es uns gibt. Fürstenfelde. Und was wir uns davon erzählen« (Saša Stanišić, »Vor dem Fest«, Luchterhand), und wir erzählen uns so davon, wie man es uns am Literaturinstitut beigebracht hat, mit mundgerechter, ein bißchen trauriger, im ganzen aber humorvoller Ironie, denn solange wir erzählen von Fürstenfelde, diesem gesamtideellen Dorf in unseren Großstadtköpfen, solange wir erzählen, »als gäbe es kein Morgen« (FAZ), hören uns all die anderen Schrebergärtner zu, und den Preis der Leipziger Buchmesse, den gibt es dann sowieso auch. Denn unser Morgen, mal ehrlich, das ist doch echt von gestern.