Humorkritik | Juli 2014
Juli 2014
Phallerie-Phallera
Der S. Fischer Verlag hat mir eine Freude gemacht, indem er die vorige Ausgabe seiner »Neuen Rundschau« (IV/2013) dem Regisseur Ernst Lubitsch gewidmet hat. Von Lubitsch stammen einige der komischsten Filme, die ich je gesehen habe.
Wer nur einen der zehn Aufsätze lesen möchte, dem rate ich dringend zu Mladen Dolars Untersuchung von Lubitschs Meisterwerk »Sein oder Nichtsein«, das im übrigen auch der Film wäre, den ich jedem empfehle, der sich nur eine Regiearbeit Lubitschs anschauen will. Dolar ist sich nämlich nicht zu fein, dem nichtakademischen Leser einige nützliche Informationen zu liefern, die den Rang des Regisseurs und speziell dieser Komödie endgültig klarstellen: Lubitsch war einer der größten Filmregisseure, und »Sein oder Nichtsein« ist einer der besten Filme aller Zeiten.
Im Gegensatz zu Lubitschs Filmen kann man sich einige der hier versammelten Aufsätze sehr wohl schenken. Was Deleuzianer und Lacanistinnen vortragen, gipfelt allzuoft in ungetümen Sätzen wie diesem: »Der Phallus kann die komische Funktion als vollständig phallisiert, als präphallische Identität oder gänzlich losgelöster Phallus erfüllen.« Autoren, die dergleichen absondern, nicht als Wichser zu bezeichnen, kostet mich einige Selbstüberwindung. Was mich daran vor allem ärgert, ist das Mißverhältnis zwischen der champagnerlaunigen Eleganz des Sujets und der bierernsten Bedeutungspfropferei solcher Interpreten. Lubitsch war ein Meister der Aussparung und der Andeutung. Indem einer die Lücken, die der Meister in seinen Handlungsgespinsten bewußt gelassen hat, mit Begriffen füllt, entzaubert er den ganzen Film und zeigt, daß er nichts begriffen hat von dem, was Lubitsch ausmacht.
Deswegen bin ich jetzt auch ruhig.