Humorkritik | September 2013

September 2013

Große Egos, große Show

Leicht hat man’s nicht mit Aaron Sorkin (»The West Wing«, »The Social Network«). Der Mann hat ein schier riesenhaftes Ego, das ihn dauernd dazu zwingt, wichtige Botschaften zu vermitteln. Diese ständigen Gardinenpredigten trüben den Genuß seiner neuen TV-Serie »The Newsroom« (HBO; die erste Staffel ist gerade auf DVD erschienen, die zweite läuft momentan in den USA). Der Zuschauer wird unterrichtet und belehrt, sei’s politisch (Republikaner schlecht, Demokraten gut), sei’s über den Zustand der Medien (liegt einiges im argen). Ausgleichshalber probiert sich Sorkin auch noch an Momenten der romantischen Komödie – und die gehen fast verläßlich daneben. Zu meiner nicht geringen Verblüffung ist »The Newsroom« dennoch sehr unterhaltsam, gibt es regelmäßig was zu lachen.

Denn nicht nur erzählt Sorkin gute Geschichten und entwickelt plausible Charaktere, nein; seine Figuren reden durchgehend irrsinnig schnell und denken sogar noch schneller. Jeder Schlagabtausch ist, wo nicht witzig, so doch mindestens gewitzt, ja scharfzüngig und clever. Das ist natürlich hochmanipulativ, denn so hat man auch als Zuschauer das Gefühl, selbst gewitzt und clever zu sein.

Erfreulicherweise nimmt die Hauptfigur das Tempo immer wieder ein bißchen heraus: Will McAvoy (Jeff Daniels) ist Anchorman des fiktiven Kabelsenders Atlantis Cable News, und er bekommt unanständig viel Geld dafür, seine Meinung für sich zu behalten. Damit allerdings ist bereits in der ersten Folge Schluß: Will faltet bei einer universitären Veranstaltung von der Bühne herab eine patriotische Studentin zusammen, erklärt ihr im Detail, was schiefläuft in den USA, und bemüht sich fortan (gegen den Widerstand der Senderchefin), aufklärerische, einem ethischen Journalismus verpflichtete Nachrichten zu machen. Dabei stehen ihm seine Exfreundin MacKenzie McHale (Emily Mortimer) und ihr Team zur Seite. Die Serie erzählt in jeder Episode, was während tatsächlicher Nachrichtenereignisse, etwa des Öl-Lecks im Golf von Mexiko, der Atomkatastrophe von Fukushima oder der Erschießung bin Ladens, hinter den Kulissen der Nachrichtensendung vor sich geht.

Das sind Querelen mit den Quoten- und Kommerzinteressen der Muttergesellschaft, Kämpfe mit Interviewgästen, für die der Interviewer auch dann eine gewisse Verantwortung hat, wenn sie erkennbar im Unrecht sind, und nicht zuletzt Probleme mit Journalistenkollegen, die sich im Boulevard wohnlich eingerichtet haben. Selbstverständlich neigt Will McAvoy zu einem herablassenden Umgang mit Tabloid-Reporterinnen. Es gehört zu den schöneren Momenten der Serie, wenn er mal wieder eine Reporterin kleinmacht und daraufhin mehrfach Getränke ins Gesicht geschüttet bekommt – obwohl die Show keinen Zweifel daran läßt, daß Will im Recht ist; denn diese Figur hat die nötige Fallhöhe und Jeff Daniels die richtige Auswahl von blasierten Gesichtsausdrücken, die ihn zu einer komischen Begabung machen.

So ist »The Newsroom« bisweilen nervtötend moralisch und oft pathetisch, Will McAvoy wird bei aller Arschlochhaftigkeit viel zu heldenhaft dargestellt, und von Sorkins Frauenbild möchte ich nicht einmal anfangen – doch kurzweilig ist diese Nachrichtenzentrale allemal.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Aha bzw. aua, Voltaren!

Das wussten wir gar nicht, was da in Deiner Anzeige steht: »Ein Lächeln ist oft eine Maske, die 1 von 3 Personen aufsetzt, um Schmerzen zu verbergen. Lass uns helfen. Voltaren.«

Mal von der Frage abgesehen, wie Du auf die 1 von 3 Personen kommst, ist es natürlich toll, dass Du offenbar eine Salbe entwickelt hast, die das Lächeln verschwinden lässt und den Schmerz zum Vorschein bringt!

Gratuliert salbungsvoll: Titanic

 Verehrte Joyce Carol Oates,

da Sie seit den Sechzigern beinah im Jahrestakt neue Bücher veröffentlichen, die auch noch in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, kommen Sie vermutlich nicht dazu, jeden Verlagstext persönlich abzusegnen. Vielleicht können Sie uns dennoch mit ein paar Deutungsangeboten aushelfen, denn uns will ums Verrecken nicht einfallen, was der deutsche Ecco-Verlag im Sinn hatte, als er Ihren neuen Roman wie folgt bewarb: »›Babysitter‹ ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen. In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander«, darunter »eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam«.

Bitte helfen Sie uns, Joyce Carol Oates – wer genau ist ›der Figur‹, dem es die elitären Peripherien angetan haben? Tragen die Leben beim Aufeinandertreffen Helme? Wie müssen wir uns ein Porträt vorstellen, das zugleich ein Blick ist? Wird das wehtun, wenn uns Ihr Buch erst niederschmettert, um dann noch Eindrücke auf uns zu hinterlassen? Und wie ist es Ihnen gelungen, aus dem unappetitlich plattgedrückten Matsch zu guter Letzt noch einen »Pageturner« zu formen?

Wartet lieber aufs nächste Buch: Titanic

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

 Ach, Scheuer-Andi,

wie der Spiegel meldet, wird niemand für Sie in den Bundestag nachrücken. Da scheinen die Fußstapfen wohl einfach zu groß zu sein.

Die Besten gehen immer zu früh …

Weiß Titanic

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg