Humorkritik | März 2013

März 2013

Komisches Streicheln

Der Hype um das sog. »Wissen« hat in den letzten Jahren nicht nur eine gewaltige Menge an heiteren Sachbüchern auf den Markt gespült, auch im TV gibt es immer mehr Sendungen, in denen Wasserleitungen mit Kaffee gefüllt oder Häuser mit der Mikrowelle gesprengt werden. Besonders das ZDF setzt in seiner Wissens- und Unterhaltungssparte zusehends auf vorpubertären Klingelstreichhumor und holt sich all die Plagen ins Haus, die schon bei den Privaten eine Zumutung waren. Dabei gibt es aus diesem Segment durchaus auch Erfreuliches zu berichten.

Die im ORF ausgestrahlten Shows der Wiener »Science Busters« etwa, die mit so sprechenden Titeln aufwarten wie diesem: »Die Physik des Oktoberfestes – 200 Jahre schunkeln, saufen, spei’n für den Wirtschaftsstandort München«. Die kregle »Wissenschaftsboygroup« besteht aus dem von mir hier schon gelobten Kabarettisten Martin Puntigam (TITANIC 1/08), dem Neurophysiker Werner Gruber und dem Kernphysiker Heinz Oberhummer. Schon der Auftritt des ungleichen Trios ist grotesk. In der Mitte der Bühne moderiert Puntigam, bekleidet mit einem pinkfarbenen Dreß, der seine nicht zu knappen Rundungen zur Geltung bringt, und befragt abwechselnd die beiden Wissenschaftler. Zu seiner Linken Gruber, der noch einmal mindestens die doppelte Körpermasse mitbringt und während der Show in einem selbstgebauten Ofen aus Alufolie ein Henderl mittels Glühbirnen knusprig gart und dann verzehrt. Zur Rechten Oberhummer, der wegen seines Alters und der schmächtigen Statur schon beinahe gebrechlich wirkt, dann aber um so begeisterter mit Schutzhelm und -brille ein eigenartiges Bierschaumexperiment vorführt.

Das aktuelle Buch des Trios heißt »Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln« (Hanser), und was mein Wissenschaftsgebiet betrifft, kann ich die drei nur loben. Mit ungestümem Forscherdrang untersuchen sie auch die letzten Rätsel der Menschheit: »Warum hilft es, einen Fuß aus dem Bett auf den Boden zu stellen, wenn man betrunken ist und sich alles im Kreis zu drehen scheint? Alle heiligen Bücher der Welt haben hierfür keine Erklärung und sind, ganz nebenbei erwähnt, auch sonst ziemlich nutzlos.« Ganz im Gegensatz zu diesem Buch. Auch wenn es keine Schnecken enthält, so kann man doch kaum aufhören, den knallrosafarbenen, samtenen Einband zu streicheln.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wenn, Sepp Müller (CDU),

Bundeskanzler Olaf Scholz, wie Sie ihm vorwerfen, in einem »Paralleluniversum« lebt – wer hat dann seinen Platz in den Bundestagsdebatten, den Haushaltsstreitgesprächen der Ampelkoalition, beim ZDF-Sommerinterview usw. eingenommen?

Fragt die Fringe-Division der Titanic

 Kleiner Tipp, liebe Eltern!

Wenn Eure Kinder mal wieder nicht draußen spielen wollen, zeigt ihnen doch einfach diese Schlagzeile von Spektrum der Wissenschaft: »Immer mehr Lachgas in der Atmosphäre«. Die wird sie sicher aus dem Haus locken.

Gern geschehen!

Eure Titanic

 Diese Steilvorlage, Kristina Dunz (»Redaktionsnetzwerk Deutschland«),

wollten Sie nicht liegenlassen. Die Fußballnation hatte sich gerade mit der EM-Viertelfinalniederlage gegen Spanien angefreundet, der verlorene Titel schien durch kollektive Berauschtheit an der eigenen vermeintlich weltoffenen Gastgeberleistung sowie durch die Aussicht auf vier Jahre passiv-aggressives Gemecker über die selbstverständlich indiskutable Schiedsrichterleistung (»Klarer Handelfmeter!«) mehr als wiedergutgemacht, da wussten Sie einen draufzusetzen. Denn wie es Trainer Julian Nagelsmann verstanden habe, »eine sowohl fußballerisch als auch mental starke National-Elf zu bilden«, die »zupackt und verbindet«, hinter der sich »Menschen versammeln« können und der auch »ausländische Fans Respekt zollen«, und zwar »auf Deutsch« – das traf genau die richtige Mischung aus von sich selbst berauschter Pseudobescheidenheit und nationaler Erlösungsfantasie, die eigentlich bei bundespräsidialen Gratulationsreden fällig wird, auf die wir dank des Ausscheidens der Mannschaft aber sonst hätten verzichten müssen.

Versammelt sich lieber vorm Tresen als hinter elf Deppen: Titanic

 Endlich, »ARD«!

Seit Jahren musst Du Dich rechtfertigen, weil Du immer wieder die NS-Enthusiast/innen von der AfD zu Kuschelkursinterviews einlädst und ihnen eine gebührenfinanzierte Plattform bietest, damit sie Dinge verbreiten können, die sich irgendwo zwischen Rassenlehre und Volksverhetzung befinden. Aber jetzt hast Du es den Hatern endlich gezeigt und AfD-Anführer Tino Chrupalla in das härteste Interviewformat ever eingeladen: »Frag selbst«, das freaky Social-Media-Format von der Tagesschau, das schon Olaf Scholz mit knallharten Fragen à la »Wann Döner wieder drei Euro?« niedergerungen hat. Wir sind uns sicher: Besser als mit einem Kartoffelranking auf dem Twitch-Kanal der Tagesschau kann die AfD gar nicht entlarvt werden!

Legt schon mal die Chips bereit: Titanic

 Lieber Fritz Merz,

im Podcast »Hotel Matze« sagst Du, dass Du in Deutschland große Chancen bekommen hättest und etwas zurückgeben wolltest. Jawollo! Wir haben da direkt mal ein bisschen für Dich gebrainstormt: Wie wär’s mit Deinem Privatjet, dem ausgeliehenen vierten Star-Wars-Film oder dem Parteivorsitz? Das wäre doch ein guter Anfang!

Wartet schon ganz ungeduldig: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Feuchte Träume

Träumen norddeutsche Comedians eigentlich davon, es irgendwann mal auf die ganz große Buhne zu schaffen?

Karl Franz

 Reifeprozess

Musste feststellen, dass ich zum einen langsam vergesslich werde und mir zum anderen Gedanken über die Endlichkeit allen Lebens mache. Vor meiner Abreise in den Urlaub vergaß ich zum Beispiel, dass noch Bananen in meiner Obstschale liegen, und dann dachte ich zwei Wochen darüber nach, wie lange es wohl dauert, bis die Nachbarn wegen des Geruchs und der Fliegen aus meiner Wohnung die Kripo alarmieren.

Loreen Bauer

 Claims texten, die im Kopf bleiben

Ist »Preissturz bei Treppenliften« wirklich eine gute Catchphrase?

Miriam Wurster

 Liebesgedicht

Du bist das Ästchen,
ich bin der Stamm.
Du bist der Golo,
ich Thomas Mann.
Du bist Borkum,
ich bin Hawaii.
Du bist die Wolke,
ich bin gleich drei.
Du bist das Würmchen,
ich bin das Watt.
Du bist die Klinke,
ich bin die Stadt.
Du bist das Blättchen,
ich jetzt der Ast.
Sei still und freu dich,
dass du mich hast.

Ella Carina Werner

 Lifehack von unbekannt

Ein Mann, der mir im Zug gegenüber saß, griff in seine Tasche und holte einen Apfel heraus. Zu meinem Entsetzen zerriss er ihn mit bloßen Händen sauber in zwei Hälften und aß anschließend beide Hälften auf. Ich war schockiert ob dieser martialischen wie überflüssigen Handlung. Meinen empörten Blick missdeutete der Mann als Interesse und begann, mir die Technik des Apfelzerreißens zu erklären. Ich tat desinteressiert, folgte zu Hause aber seiner Anleitung und zerriss meinen ersten Apfel! Seitdem zerreiße ich fast alles: Kohlrabi, Kokosnüsse, anderer Leute Bluetoothboxen im Park, lästige Straßentauben, schwer zu öffnende Schmuckschatullen. Vielen Dank an den Mann im Zug, dafür, dass er mein Leben von Grund auf verbessert hat.

Clemens Kaltenbrunn

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.08.2024 Kassel, Caricatura-Galerie Miriam Wurster: »Schrei mich bitte nicht so an!«
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst Die Dünen der Dänen – Das Neueste von Hans Traxler
04.08.2024 Frankfurt/M., Museum für Komische Kunst »F. W. Bernstein – Postkarten vom ICH«
09.08.2024 Bremen, Logbuch Miriam Wurster