Humorkritik | März 2013

März 2013

Ein bißchen verzaubern

Ist es komisch, wenn ein Schriftsteller namens Wolf Haas in seinem neuen Roman »Verteidigung der Missionarsstellung« (Hoffmann und Campe) einen Schriftsteller namens Wolf Haas zu einer Hauptfigur macht, die dann ständig Memos dieser Art einstreut: »PARKATMOSPHÄRE EINFÜGEN. EVTL VON BRUNO SCHREIBEN LASSEN«. Dem dann eine Frau zu Pferde begegnet, die bekennt, sie lese gerade Haas’ Buch (also jenes, welches wir just in Händen halten), um sich beim Abschied zu bedanken: »War nett, durch Ihren Roman zu reiten«?

Ist es komisch, wenn neben solchen selbstreferentiellen Scherzen allerlei typografischer Unfug angestellt wird, indem z.B. berichtet wird, daß jemand einen Text quergelesen habe, und prompt folgen ein paar Seiten mit, nun ja: quer gesetzten Zeilen? Sind leere Seiten komisch, oder solche mit chinesischem Text? Ist das alles nicht schon seit Sternes und Diderots Zeiten kalter Kaffee, den freilich österreichische Autoren von der Wiener Gruppe über Andreas Okopenko mit seinem genialen »Lexikon-Roman« bis jüngst zu Thomas Glavinic und seiner selbstironischen Quasiautobiographie »Das bin doch ich« gerne immer wieder aufwärmen? Und ist es nicht arg konstruiert, wenn der Held in Haasens neuem Buch, ein gewisser Benjamin Lee Baumgartner, sich immer dort verliebt, wo dann unweigerlich eine Seuche ausbricht: London 1988 (BSE); Peking 2006 (Vogelgrippe); New Mexico 2009 (Schweinegrippe); Bienenbüttel 2010 (EHEC)?

Auf all diese Fragen muß ich mit ja antworten. Ja, es ist konstruiert (aber welcher Text ist das nicht – sogar diese Humorkritik habe ich konstruiert, meiner Seel’). Ja, diese postmodernen Zaubertricks sind ein alter Hut, und natürlich hat Wolf Haas das Rad nicht neu erfunden (das hat ja wohl auch niemand verlangt) – aber das Räderwerk seiner Geschichte schnurrt so munter und bestens geölt und voll Spaß an der Freud, daß ich nochmals summierend sage: Ja, »Verteidigung der Missionarsstellung« ist ein komisches, zudem sogar sehr kluges Buch.

Ja, ja, ja.

  

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick