Humorkritik | November 2012

November 2012

Mrs Parker und Frau Karl

Büchern, die eine fette Lobesbinde von Elke Heidenreich um den Bauch tragen, gebe ich bisweilen trotzdem eine Chance, zumal wenn mich das Thema interessiert. Und Dorothy Parker war eine interessante Person, eine hochtalentierte Autorin dazu, die in den USA den Ruf einer höchst amüsanten Nonkonformistin genoß und deren Schlagfertigkeit allenfalls von ihrer Trinkfestigkeit übertroffen wurde. In Deutschland sind weder ihr Leben noch ihr literarisches Werk, das hauptsächlich aus Erzählungen, Gedichten, Theaterstücken, Drehbüchern und Kritiken besteht, bisher entsprechend gewürdigt worden.

Das Beste an Michaela Karls Biographie ist der Titel: »Noch ein Martini und ich lieg unterm Gastgeber« (Residenz Verlag) – ein Zitat ihrer Heldin natürlich, deren wisecracks auch den Rest des Buches ein wenig aufhellen. Daß die Amerikanerin ihre Heldin ist, daran läßt die Deutsche schon im Vorwort kaum Zweifel, wenn sie ihre ganz persönliche Beziehung zu Dorothy Parker zu einer fast schicksalhaften stilisiert. Heldenverehrung ist für Biographen kein sehr fruchtbarer Ansatz; furchtbar wird er, wenn die kritiklose Verklärung der ersten Verliebtheit noch nicht ganz abgeklungen ist und sich in ihrer holden Verblendung selbst die peinlichsten Fehltritte der Person Parker zu entschuldigen bemüht.

Deren Geschichte läßt sich schlüssiger lesen: als ein steter Niedergang, der aus intellektueller Höhe durch die Untiefen des Alkoholismus in die Abgründe der Depression führt. Das ist – trotz der pathetischen Genitiv-Metaphern, denen die Biographin vertraut – traurig, und manch eine Verirrung in Selbstmitleid und Salonkommunismus verdiente durchaus unser Mitgefühl, wenn die Autorin das nicht durch übertriebene Trauervorwegnahme schon im Keim ersticken wollte.

Da möchte man eher dem gnadenlosen Urteil des Kollegen Charles S. Kaufman vertrauen, der bereits die glorreichen Anfänge von Parkers Karriere – 1994 in einem Film unter dem Titel »Mrs Parker and her Vicious Circle« gewürdigt – aus eigener Erinnerung disqualifiziert: »Die Wahrheit ist, daß der Round Table von einer bunt zusammengewürfelten, nichtssagenden Gruppe von Menschen gegründet wurde, die zusammen mittagessen wollten, das ist alles.« Moment! Die Konkurrentin Anita Loos präzisiert: »Auch wenn sie selbsternannte Intellektuelle waren, waren sie doch mit nichts anderem beschäftigt als mit sich selbst und ihren persönlichen Angelegenheiten … Ihre Unterhaltung war ein dauernder Aufguß der einfachsten Form von Exhibitionismus.« – Das schärfste Urteil über die elitäre Clique am Runden Tisch fällt die Tischherrin selbst: »Ein Haufen protzender Großmäuler, die sich tagelang Gags überlegt haben, nur um sie im geeigneten Moment zum Besten zu geben.« Ja, selbst Mrs. Parker mag am Ende ihres Lebens, das von 1893 bis 1967 währte, von ihren Jugendsünden nichts mehr hören: »Ich glaube, unser Problem war, daß wir nicht erwachsen werden wollten.«

Wie immer es in den rührenden Zwanzigerjahren im Hotel Algonquin in New York auch zugegangen sein mag – auf Frau Karls Wertung würde ich mich ungern verlassen müssen. Zu gravierend sind ihre Fehler, etwa wenn Parker im September 1936 in Hollywood den Produzenten David O. Selznick trifft. Der ist damals laut Karl »ein absoluter Newcomer, der soeben seine erste Produktionsgesellschaft gegründet hat«. Letzteres stimmt zwar, doch als einen vollkommenen Neuling würde man einen Mann wie Selznick, der damals schon seit zehn Jahren für MGM Spielfilme produzierte, wohl nicht bezeichnen.

Von solchen überflüssigen Informationen, leichtfertigen Einschätzungen und klischeehaften Holprigkeiten wimmelt diese persönlich gemeinte Liebeserklärung, die dadurch eine ungewollt mechanische Wendung erhält, zumal sie in einer Sprache vorgetragen wird, die allzuoft wie eine schlampige Rohübersetzung aus dem Amerikanischen klingt.

Kurz: »Man kann Michaela Karl nicht genug loben für diese überfällige Hommage.« Ich kann Elke Heidenreich nicht genug dafür danken, daß sie mir mit ihrem Gesamtlob die einmalige Gelegenheit gibt, mit einem unreinen Haiku zu schließen: »Der ehrenwerte Tisch / O Wasserfall der Worte! / Hommage am Arsch.«

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

 Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Nachdem Sie eine Klage wegen Rufschädigung eingereicht haben, wird nun voraussichtlich ein Prozess gegen den britischen Rockstar Brian Molko eingeleitet. Dieser hatte Sie bei einem Konzert seiner Band Placebo in Turin als Nazi und Faschistin bezeichnet.

Wir finden, da könnten Sie sich mal etwas lockermachen. Wer soll denn bitte noch durchblicken, ob Sie gerade »Post-«, »Proto-« oder »Feelgood-« als Präfix vor »Faschistin« bevorzugen? Und: Wegen solcher Empflichkeiten gleich vor Gericht zu gehen, kostet die Justiz so viel wertvolle Zeit. Die könnte sie doch auch nutzen, um Seenotretter/innen dingfest zu machen oder kritische Presse auszuschalten. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, Sie Snowflake?

Schlägt ganz gelassen vor: Titanic

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

 Warum, Internet?

Täglich ermöglichst Du Meldungen wie diese: »›Problematisch‹: Autofahrern droht Spritpreis-Hammer – ADAC beobachtet Teuer-Trend« (infranken.de).

Warum greifst Du da nicht ein? Du kennst doch jene Unsichtbar-Hand, die alles zum Kapitalismus-Besten regelt? Du weißt doch selbst davon zu berichten, dass Millionen Auto-Süchtige mit Dauer-Brummbrumm in ihren Monster-Karren Städte und Länder terrorisieren und zum Klima-Garaus beitragen? Und eine Lobby-Organisation für Immer-Mehr-Verbrauch Höher-Preise erst verursacht?

Wo genau ist eigentlich das Verständlich-Problem?

Rätselt Deine alte Skeptisch-Tante Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
05.05.2024 Bonn, Rheinbühne Thomas Gsella
05.05.2024 Magdeburg, Factory Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
06.05.2024 Hannover, Pavillon Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
06.05.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner