Humorkritik | November 2012
November 2012
Aus dem Fenster
Ich war gut damit gefahren, den »Erfolgsroman der Saison«, ja »Schelmenroman erster Güte« (Spiegel) bzw. »weltweiten Bestseller« (Klappentext), nämlich Jonas Jonassons »Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand« (Carl’s Books), nach Kräften zu ignorieren, wie alles, was im Supermarkt zwischen Moppel-Ich und Provinzkrimi liegt – bis die geschätzte Kristina Maidt-Zinke (vgl. TITANIC 4/2007) in der Süddeutschen Zeitung dazu abgestellt wurde, den »sagenhaften Erfolg« des Schwedenbrockens auf reichlich hundert Feuilletonzeilen unter Rekurs auf Grimmelshausen und Detlev Buck zu honorieren und die eigene Ignoranz pflichtschuldig zu bedauern: »Hätten wir das Buch beizeiten rezensiert, hätten wir ihm ein paar Längen angekreidet. Jetzt, nach dem Riesenerfolg, sehen wir das anders: Wie schön, daß es noch so viele entspannte, geduldige Leser gibt.«
Ich gehöre nicht dazu. Schon nach der ersten Seite hatte ich genug von einer Prosa, die kaum in der Lage ist, Literatur auch nur zu simulieren (»Nur die Hauptperson hatte nicht vor, zu dieser Feier aufzutauchen«), und deren fröhliche Ahnungsferne mich nicht einmal ärgern würde, wenn die Kolleginnen und Kollegen, wie viertelironisch auch immer, vorm Kassenerfolg nicht immer wieder einknickten, statt darauf zu bestehen, daß es Literatur gibt und großen Bockmist. Was mich ja gleichfalls nicht ganz Unbetagten nicht ständig dazu zwänge, über eine Flucht durchs Fenster immerhin nachzudenken.