Humorkritik | Juli 2012

Juli 2012

Gottes Schokoladenseite

Ein Spaßvogel ist Gott bekanntlich nicht, und daß Spötter nicht wohlgelitten sind, beweisen zahlreiche Stellen im Alten Testament. Sinn für Humor wäre bei einem unduldsamen und rachsüchtigen, machtgeilen und mordlüsternen alten Sack wie ihm allerdings überraschend. Auch seine Propheten sind durch die Bank witzlose Miesepeter und Nervensägen – bis auf Jona (oder Jonas). Man kennt den Namen in Verbindung mit dem Walfisch, und tatsächlich ist das Buch, das davon erzählt, das einzig komische der Bibel.

Es beginnt damit, daß Gott mal wieder schlechte Laune hat: Er ist auf das assyrische Ninive böse, weshalb Jona sich aufmachen und den Einwohnern mitteilen soll, daß sie demnächst ausgerottet werden. Doch der Prophet lehnt den Job ab und flieht übers Meer. Sein Ziel: Tharsis (das am Ende der damaligen Welt gelegene Tartessos in Südwestspanien), wo er hofft, daß Gottes langer Arm so weit nicht reicht. Doch während Jona im Unterdeck schlummert, läßt der Allmächtige ein furchtbares Unwetter losbrechen. Verängstigt wecken die Seeleute ihren Passagier. Der gesteht, daß er den Zorn seines Gottes verursacht hat, und gibt auf: »Nehmt mich und werft mich ins Meer, so wird euch das Meer still werden.« Die Heiden weigern sich zunächst, doch schließlich bleibt ihnen nichts übrig, als Jonas in die schäumende See zu schmeißen.

Zugleich schickt Gott den berühmten großen Fisch, der Jona verschluckt und drei Tage später zurück an Land speit. Jetzt hält Jona in Ninive die verlangte Strafpredigt. »Groß und klein« beginnt zu fasten, der König selbst legt seinen Purpur ab, »hüllte einen Sack um sich und setzte sich in die Asche«; sogar das Vieh tut Buße: Auch Ochsen und Schafe werden in Säcke gehüllt und meiden Weide und Wasser. Da bereut Gott und läßt die Stadt in Frieden.

Damit ist die Geschichte aber nicht zu Ende, denn nun will Jona, der vor aller Welt als Lügenprophet dasteht, »lieber tot sein als leben«. Blamiert zieht er vor die Stadt und setzt sich vor eine Hütte, um Gott die Erfüllung seiner Weissagung abzutrotzen. Gott aber, den man sich wohl grinsend denken muß, läßt einen Rizinusstrauch wachsen, der dem Wartenden Schatten spendet. Dann schickt er einen Wurm, so daß der Rizinus verdorrt, Jona einen Sonnenstich erleidet und gleich wieder tot sein will. Da sagt Gott: »Dich jammert des Rizinus, daran du nicht gearbeitet hast, und mich sollte nicht jammern Ninives, solcher großen Stadt, in welcher sind mehr denn hundertzwanzigtausend Menschen, die nicht wissen Unterschied, was rechts oder links ist, dazu auch viele Tiere?«

In dieser Geschichte, die schon fast einer Humoreske à la Johann Peter Hebel ähnelt, zeigt Gott sich also mal von seiner Schokoladenseite: freundlich zu Mensch und Tier, tolerant selbst gegenüber den Heiden. Vielleicht ist Jona sogar der Autor dieser Legende, die auch als Satire aufs handelsübliche Prophetentum gelten kann.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

 Du, »Hörzu Wissen«,

weißt, wie Werbung geht! Mit »Die Sucht zu töten« machtest Du so richtig Lust auf Deine aktuelle Ausgabe, um erläuternd nachzulegen: »Bestialisch, sadistisch, rätselhaft: Was Menschen zu mordenden Monstern macht – acht Täter und die Geschichten ihrer grausamen Verbrechen.«

Wer kann sich da der Faszination der »dunklen Welt der Serienkiller« noch entziehen? Aber am Ende, liebe Hörzu Wissen, ist in diesem Zusammenhang doch die Implikation Deines Slogans »Hörzu Wissen – das Magazin, das schlauer macht!« das Allergruseligste!

Da erschauert sogar

Die True-Crime-resistente Redaktion der Titanic

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hannover, TAK Ella Carina Werner