Humorkritik | Juli 2012

Juli 2012

Doctor Who

»A Horror-Time-Travel-Romantic-Comedy-Epic«: So beschrieb Douglas Adams seinen Roman »Dirk Gentlys Holistische Detektei«. Seine Worte hätten aber auch der BBC-Serie »Doctor Who« gelten können, an der er Ende der siebziger Jahre als Script Editor und Autor einiger Episoden beteiligt war; was in Deutschland ähnlich unbekannt ist wie die Serie selbst, die in ihrer Heimat jedoch eine feste Institution ist, wie die Queen oder der Fünfuhrtee.

Nachhilfe tut also not. Doch ist schon die nächstliegende Frage – »Doctor… wer?« – durchaus knifflig, denn der Name des Protagonisten ist, abgesehen von der Sache mit dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest, das größte Rätsel der Serie. Soviel immerhin ist bekannt: Am 23. November 1963 tauchte der Doktor zum ersten Mal auf den Bildschirmen des Vereinigten Königreichs auf. Seither ist er häufiger wiederauferstanden als Jesus, hat die Welt schneller gerettet als Bruce Willis und hat mit seinen Zeitreisen die Physiker in wesentlich existentiellere Zweifel am Kausalitätsprinzip gestürzt als etwa die Quantenmechanik.

Und nicht zuletzt hat »Doctor Who« die Science-Fiction-Fans entzweit: Die einen liebten die Show für ihre intelligenten Dialoge und ihr Grundkonzept, das den Autoren eine praktisch unendliche Wahl an Schauplätzen und Storylines bietet; die anderen machten sich über billige Tricks und tentakelige Gummimonster lustig. Denn zur Zeit der Originalserie, die bis 1989 lief, war der größte Gegner des Doktors nicht die Schar der fiesen Daleks (salzstreuerförmige Kampfmaschinen mit Herrenrassenkomplex, Nazis in Dosen) oder sonstiger Schurken, sondern die chronische Unterfinanzierung der Produktion.

Daß sie dennoch so lange lief, ist ein kleines Wunder, das sich am besten auf DVD studieren läßt, denn die BBC veröffentlicht seit einigen Jahren sukzessive die »Klassiker«. Anfang des Jahres etwa sind »The U.N.I.T. Files« mit zwei Siebziger-Jahre-Episoden erschienen, die als Musterbeispiele für die Höhen und Tiefen jener Ära gelten können: Die Dino-Animationen in »Invasion of the Dinosaurs« erinnern an die frühesten Godzilla-Filme, die Logik des Plots ist wacklig wie die Kulissen – und Jon Pertwee als drittem Darsteller des Doktors ist es gelungen, dieses Low-Budget-Produkt zum Funkeln zu bringen. Ähnliches gilt für Tom Baker in »The Android Invasion«.

Wer der unfreiwilligen Komik trashiger Not-so-special-Effects nichts abgewinnen kann, braucht dennoch nicht auf den Doktor zu verzichten. Seit 2005 ist er nämlich wieder zurück, und an Geld scheint es der BBC seitdem nicht mehr zu mangeln. An Einfällen ohnehin nicht. Und zum Glück ist man nicht von der Willkür deutscher TV-Direktoren abhängig. Derzeit läuft zwar die sechste Staffel der aktuellen Serie im Pay-Sender Fox, aber das Geld ist für die Original-DVDs besser angelegt. Selber schuld, wer das nicht tut – ihm entgeht nichts Geringeres als eine der besten Serien aller Zeiten.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Weiter so, uruguayischer Künstler Pablo Atchugarry!

Eine angeblich von Ihnen geschaffene Bronzeskulptur im englischen Cambridge soll an Prinz Philip erinnern, der dort von 1977 bis 2011 Kanzler der Universität war. Allerdings wird das Kunstwerk, das im Auftrag eines reichen Bauträgers angefertigt wurde, von vielen als verunglückt empfunden und zieht seit nunmehr zehn Jahren Spott auf sich.

Dass Sie mittlerweile die Urheberschaft leugnen, um Ihr Renommee als Künstler zu schützen, ist zwar verständlich, aber aus unserer Sicht völlig unnötig. Wenn sich das Konzept durchsetzt, lästige Promis, die uns über Jahrzehnte viel Zeit, Geld und Nerven gekostet haben, mit langlebigen Schrott-Monumenten zu schmähen, werden Sie sich vor Aufträgen bald kaum noch retten können. Und das Beste: Weil andere Großkopferte sich mit ihren Eskapaden zurückhalten würden, um nicht von Ihnen verewigt zu werden, sorgten Sie auch noch für Ruhe und gesellschaftlichen Frieden.

Hofft, dass dieser Vorschlag einen Stein ins Rollen bringt: Titanic

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

 Verehrte Joyce Carol Oates,

da Sie seit den Sechzigern beinah im Jahrestakt neue Bücher veröffentlichen, die auch noch in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, kommen Sie vermutlich nicht dazu, jeden Verlagstext persönlich abzusegnen. Vielleicht können Sie uns dennoch mit ein paar Deutungsangeboten aushelfen, denn uns will ums Verrecken nicht einfallen, was der deutsche Ecco-Verlag im Sinn hatte, als er Ihren neuen Roman wie folgt bewarb: »›Babysitter‹ ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen. In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander«, darunter »eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam«.

Bitte helfen Sie uns, Joyce Carol Oates – wer genau ist ›der Figur‹, dem es die elitären Peripherien angetan haben? Tragen die Leben beim Aufeinandertreffen Helme? Wie müssen wir uns ein Porträt vorstellen, das zugleich ein Blick ist? Wird das wehtun, wenn uns Ihr Buch erst niederschmettert, um dann noch Eindrücke auf uns zu hinterlassen? Und wie ist es Ihnen gelungen, aus dem unappetitlich plattgedrückten Matsch zu guter Letzt noch einen »Pageturner« zu formen?

Wartet lieber aufs nächste Buch: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
05.05.2024 Bonn, Rheinbühne Thomas Gsella
05.05.2024 Magdeburg, Factory Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
06.05.2024 Hannover, Pavillon Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
06.05.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner