Humorkritik | April 2012
April 2012

Stand up – pull down
Ungern erzähle ich von mir persönlich, doch in diesem Fall muß ich vorausschicken, daß meine Begegnung mit dem amerikanischen Komiker Bobby Lee durchaus unfreiwillig zustande kam. Eigentlich hatte ich an diesem Abend nämlich Jackie Mason, einen meiner Lieblingskomiker, auf der Bühne eines Comedy Clubs in Südflorida beobachten wollen. Daß ich mich im Datum um einen Tag geirrt hatte, erfuhr ich schon von einem Kellner, der mir auf meine Frage, ob dieser Bobby Lee als Opener für Jackie Mason vorgesehen sei, deutlich zu verstehen gab, von einem »Jackie Who?« noch nie gehört zu haben. Ich solle mir aber sowieso lieber Bobby Lee anschauen, der sei nämlich »extremely funny«.
Dieses Urteil kann ich nur zum Teil bestätigen, denn Bobby Lee, der es durch regelmäßige Beiträge für »Mad TV« zu einiger Fernsehberühmtheit gebracht hat, gebärdete sich zwar extrem, wirkte aber nur in Maßen lustig. Lee stammt, wie der Name schon halbwegs verrät, aus einer koreanischen Familie und sieht mit vierzig immer noch aus wie ein fettes gelbliches Baby, das versucht, sich durch Aufkleben eines Schnauzbarts als Dschinghis Khan zu verkleiden. Neben einigen eher konventionellen Scherzen über sein Äußeres und seine Herkunft beschränkte sich sein halbstündiges Programm auf Versuche, das Publikum zu schockieren und sich mit denjenigen, die seine Provokation annehmen, ausgiebig herumzustreiten.
Bereits nach drei Minuten ließ Bobby die Hosen runter – ich meine das wörtlich; ein Akt, der sich im folgenden gut dutzendmal wiederholte, und das mit wachsender Begeisterung: nicht nur bei ihm selbst, sondern auch beim Publikum. Und da will ich mich gar nicht ausnehmen: Ich muß zugeben, nach gut zwanzig Minuten fand ich diese bis zum vorletzten ausgereizte Entblößung dann ebenfalls recht komisch.
Dennoch war ich froh, als am nächsten Abend Jackie Mason in alter Frische, untadelig bekleidet mit heller Flanellhose und dunklem Blazer, seine Geschichten über die wesensmäßigen Unterschiede zwischen Juden und Nichtjuden abspulen durfte. Ein größerer Kontrast scheint kaum denkbar. Diese beiden Komiker trennen von Haus aus Welten: Einer ist Koreaner aus Kalifornien, der andere ein New Yorker Jude, mit fünfundsiebzig Jahren fast doppelt so alt wie Lee. Im Publikum saß außer mir mit Sicherheit niemand, der am Vorabend Bobby Lee zugejubelt hatte – und dennoch gibt es Parallelen. Auch Jackie Mason nudelt einen einfachen Gedanken so lange durch, bis er komisch erscheint; wobei es meist weniger die Pointe ist, die zum Lachen reizt, als vielmehr die unmerklich variierte Wiederholung des Ausgangsmotivs. Die überraschend formulierte Schlußfolgerung allerdings unterscheidet Masons Litaneien dann doch von den klebrigen Monologen, mit denen uns alkoholisierte Zeitgenossen mitunter gern penetrieren. Und auch von Bobby Lees genießerisch zelebrierten Exhibitionen.
Gelacht habe ich also über beides: Über die ironischen Routinen eines seigneuralen Könners allerdings mehr als über die anfängerhaft wirkenden Kapriolen eines schlitzäugigen Chaoten. Woraus wir wieder einmal gelernt haben, daß eine gewisse Hartnäckigkeit auf unterschiedlichste Art letztlich doch zum gleichen Ziel führen kann.