Humorkritik | Januar 2010

Januar 2010

Heinz Schenk hat recht

Den tadellosen Komiker und Entertainer Hape Kerkeling macht ein besonderer Umstand noch sympathischer: Bei Interviewattacken läßt er sein Privatleben meist außen vor, lächelt freundlich, genießt und schweigt. Daß er nämlich seit langem mit der italienischen Nervensäge Angelo Colagrossi liiert ist, dürfte sattsam bekannt sein, weil Colagrossi es bei jeder Gelegenheit herausposaunt – sogar im Wikipedia-Eintrag steht: »Colagrossi lebt mit seinem Lebensgefährten Hape Kerkeling in Düsseldorf beziehungsweise in Berlin« – und dies vor sich herträgt wie eine Trophäe, eine Qualifikation. Es scheint seine einzige zu sein.

 

Bislang war Colagrossi bei ca. zehn Film- und TV-Produktionen für Buch bzw. Regie zuständig, ausnahmslos Produktionen mit Hape Kerkeling. Dies hat sich in der Branche mittlerweile herumgesprochen. Wolle man mit Kerkeling zusammenarbeiten, sagen Produzenten, gebe es da ein ziemliches Problem, und das heiße Colagrossi. Daß Colagrossi nichts weiß und nichts kann, belegte, wo nicht schon das Filmdebakel »Samba in Mettmann« (TITANIC 3/2004), zuletzt eindrucksvoll der Horst-Schlämmer-Film »Isch kandidiere« (Buch/Regie/Produktion: Angelo Colagrossi). Eine eigentliche Regie fand bei diesem planlos zusammengetackerten Promiabgefilme überhaupt nicht statt, dafür wurde blindwütig, ohne Timing, Sinn und Inspiration durch die Gegend chargiert, pausenlos gezwinkert, lustig mit den Äuglein gerollt – und das letzte bißchen Witz derart zu Tode gespielt, daß es schlicht und schlecht zum Davonlaufen war. Daß dies an Kerkelings Künsten lag, mag man nicht glauben. Eher an Colagrossi. Vielleicht hat der ja keinen Humor?

 

Diesen Verdacht nährt nämlich sein gerade erschienenes Büchlein mit dem absolut stimmigen Titel »Herr Blunagalli hat kein Humor« (Rowohlt), in welchem Colagrossi nicht nur Auskunft über sein Privatleben gibt (»Angelo Colagrossi, geboren 1960 in Rom, ist Autor und Regisseur. Er lebt mit seinem Lebensgefährten Hape Kerkeling in Berlin«), sondern auch »federleicht, spritzig und sehr italienisch« (Verlagswerbung) im zurechtredigierten und zu Recht gefürchteten heiteren Dampfplauderton Belege dafür liefert, daß er neben vielem anderen auch keine Anekdoten erzählen kann, beispielsweise von Dreharbeiten zum Kerkeling-Film »Kein Pardon«: »Heinz [Schenk] hatte sich außerdem angewöhnt, nach der Mittagspause mit seinem Kaffee zu mir zu kommen und mir seinen neuesten Witz zu erzählen. Wenn ich nicht lachte – und ich lachte so gut wie nie, weil ich ihn einfach nicht verstand – ging er beleidigt zum Nebentisch und beschwerte sich: ›Herr Blunagalli hat kein’ Humor!‹ Wie Heinz Schenk auf ›Blunagalli‹ kam, ist ganz einfach; ich erkläre meinen Namen nämlich meistens so: Cola wie die berühmte schwarze Brause und grossi wie groß mit i am Ende, dann verstehen die Leute es am schnellsten. Heinz Schenk nahm einfach die orangefarbene Brause Bluna und ergänzte sie um das italienische Wort für Hähne, also galli. Wahrscheinlich war er der Meinung, mein italienisches Temperament gliche dem eines aufgescheuchten Huhns. Wenn er meint.«

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Tatütata, LKA Niedersachsen!

»Ganz viel Erfolg morgen bei der Prüfung, liebe Karin«, sagt angeblich das gesuchte ehemalige RAF-Mitglied Burkhard Garweg gut gelaunt in einem Video, das bei der Fahndung im Presseportal unter der Rubrik »Blaulicht« veröffentlicht wurde. Die Fahnder/innen erhofften sich dadurch, so heißt es, neue Hinweise, und richten sich deshalb mit den Fragen an die Bevölkerung: »Wer ist ›Karin‹ bzw. ›Carin‹?« und: »In welchem Zusammenhang steht sie zu Burkhard Garweg?«. Schön und gut, da möchten wir nach einem derartigen Cliffhanger nun aber auch die Frage hinzufügen: Wie ist Karins Prüfung denn nun eigentlich gelaufen?

Hinweise an Titanic

 Priwjet, Roderich Kiesewetter!

Priwjet, Roderich Kiesewetter!

»Die AfD ist nicht besser oder schlechter als das BSW. Beide sind Kinder derselben russischen Mutter«, sagten Sie der FAS.

Da haben wir aber einige Nachfragen: Wer sind denn die Väter? Hitler und Stalin? Oder doch in beiden Fällen Putin? Und wenn BSW und AfD dieselbe Mutter haben: Weshalb ist der Altersunterschied zwischen den beiden so groß? War die Schwangerschaft mit dem BSW etwa eine Risikoschwangerschaft? Und warum sollte es keine Qualitätsunterschiede zwischen den Parteien geben, nur weil sie die gleiche Mutter haben? Vielleicht hat Russland ja sogar ein Lieblingskind? Können Sie da bitte noch mal recherchieren und dann auf uns zurückkommen?

Fragt die Mutter der Satire Titanic

 Mal halblang, Polizei Düsseldorf!

Irgendwie war ja zu erwarten, dass Du Dich in Deinen Ermittlungen zum Anschlag in Solingen von rassistischen Debatten und wütenden Rufen nach Massenabschiebungen beeinflussen lässt. Wenn Du in einem Aufruf an die Bevölkerung aber auch noch um »Angaben zur Herkunft der abgebildeten Regenjacke« bittest – gehst Du damit nicht ein bisschen zu weit?

Deine Sittenwächterin von der Titanic

 Keine Frage, DHT Speditionsgesellschaft,

steht da auf Deinen Lkw, sondern eine Aussage: »Lust auf Last«.

Als Du damit auf der Autobahn an uns vorbeirauschtest, waren wir erst mal verwirrt: Kann man wirklich Lust auf etwas haben, was laut Duden »durch sein Gewicht als drückend empfunden wird«? Erst dachten wir noch, dass Du vielleicht was anderes damit meinst. »Last Christmas, I gave you my heart«, »Last uns froh und munter sein«, »I last my heart in San Francisco« – irgendwie so was.

Aber offenbar behauptest Du tatsächlich einfach, dass Du Spaß an der monotonen und zermürbenden Aufgabe hättest, dem Kapitalismus seine Waren über die stinkenden Autobahnen zu fahren, dabei Sonntage auf zugepissten Autohöfen zu verbringen und Dich beim Überholmanöver von Teslas und Audi A-Sonstwas anhupen zu lassen. Diese »Lust« wünschen wir Dir von ganzem Herzen, aber vermuten doch ganz stark, dass Dir der Spruch von jemandem auf den Lkw diktiert wurde, der bei der Berufswahl »Lust auf Marketing« hatte und seine Mittagspausen nicht in der Fahrerkabine, sondern beim Bagel-Laden in der Innenstadt verbringt.

Fahren an der nächsten Ausfahrt ab: Deine Leichtgewichte von Titanic

 Huch, Wolodymyr Selenskyj!

Laut Spiegel wollen Sie »überraschend nach Deutschland reisen«. Verständlich, Flugzeug oder Zug werden auf Dauer ja auch langweilig. Interessiert, ob Sie stattdessen einen Tunnel graben, mit einem Zeppelin fliegen oder doch per Faltkanu heranschippern, wünschen Ihnen in jedem Fall eine gute Reise

Ihre Travelguides von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Schrödingers Ruhebereich

Wenn es im Abteil so still ist, dass ein Fahrgast einschläft und dann übertrieben laut schnarcht.

Loreen Bauer

 Im Unterzucker

Wenn man sich bei seinem Lieblingsitaliener keine Pizza bestellen kann, weil man nicht alle Vespas auf den Fotos gefunden hat – liegt das dann am nicht bestandenen Turin-Test?

Lara Wagner

 Unangenehm

Auch im Darkroom gilt: Der Letzte macht das Licht aus.

Sebastian Maschuw

 Reality-TV

Bei der Fernsehserie »Die Nanny« gibt es diese eine Szene, in der die Mutter der Nanny, Sylvia Fine, in einem Pariser Restaurant mit dem Kellner kommunizieren will. Da sie kein Französisch spricht, nutzt sie zum Austausch ausschließlich den Text des französischen Kinderliedes »Frère Jacques«: Mit »Frère Jacques« ruft sie den Kellner, mit »Ding-ding-dong« fordert sie einen neuen Kaffee und so weiter. In der Serie klappte das sehr gut, und als Kind fand ich es auch ausgesprochen lustig, war mir allerdings sicher, dass das in der Realität nie funktionieren würde – bis es mir selbst gelang. Das kam so: Im Fitnessstudio wartete ein junger Mann am Tresen vergeblich auf einen Trainer. Vergeblich, weil er die im Tresen eingelassene Klingel nicht betätigt hatte. Nun hatte ich ihn während des Trainings Französisch sprechen hören, sprach allerdings selbst keines. Da ich aber der Einzige war, der sein vergebliches Warten bemerkte, ging ich schließlich hin, zeigte auf die Klingel und sagte »Sonnez les matines! Sonnez les matines!« Er verstand sofort und klingelte ausgiebig. Kurz darauf erschien der Trainer und ließ ihn hinaus. Da soll noch mal einer sagen, Fernsehen würde im Leben nicht helfen.

Karl Franz

 Obacht!

Die Ankündigung von Mautgebühren ist furchterregend, aber so richtig Gänsehaut bekomme ich immer erst, wenn bei Google Maps als »Warnhinweis« auftaucht: »Diese Route verläuft durch Österreich.«

Norbert Behr

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

  • 03.10.: Der MDR kramt bei der Debatte, ob Ostdeutschland in den Medien schlechtgeredet wird, die Zonen-Gaby wieder hervor.
  • 26.09.:

    Noch-Grünenchefin Ricarda Lang retweetet "ihren" Onlinecartoon vom 25.09.

  • 18.09.: TITANIC-Zeichnerin Hilke Raddatz ("Briefe an die Leser") ist mit dem Wilhelm-Busch-Preis geehrt worden. Die SZLZ und der NDR berichten.
  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

Titanic unterwegs
23.10.2024 Karlsruhe, Tollhaus Max Goldt
23.10.2024 Berlin, Walthers Buchladen Katharina Greve
24.10.2024 Stuttgart, Im Wizemann Max Goldt
25.10.2024 Potsdam, Waschhaus-Arena Thomas Gsella