Humorkritik | Januar 2010
Januar 2010
Brecht – Thomas Mann
Doch wenn wir schon bei Brecht sind: Bernd Rauschenbach und ich faßten vor langer Zeit auf der Buchmesse, befeuert durch den vom Arno-Schmidt-Komplettspezialkenner kredenzten Spitzenspiritus »Racke Rauchzart«, den Plan, eine Thomas-Mann-Niedermachgesellschaft zu gründen, und projektierten all den obligaten Quatsch von der Satzung übers Jahrbuch bis zum Symposium, auf dem dann ausschließlich Hacke Hauchzart hätte serviert werden sollen – o. s. ä. wenigstens.
Natürlich wurde nichts daraus, wie aus vielen plausiblen Vorhaben. Als Ehrenmitglied post mortem aber hätten wir Bertolt Brecht aufgenommen. Denn der mochte den Lübecker Bordürenschwadroneur bekanntlich nicht über die Maßen. In den Passagen seines »Arbeitsjournals«, die im kalifornischen Exil entstanden, schrubbte Brecht den vom Scheitel bis zur Zunge gewichsten Schnösel mehrfach vorzüglich ab. »der stehkragen sprach«, heißt es etwa in einem Eintrag vom 9. August 1943 zu einer neuerlich unerquicklichen Begegnung mit dem Autor der damals knapp dreißig Jahre alten erzdummreaktionären »Betrachtungen eines Unpolitischen«.
»nachbar, euren speikübel!« Auch diese Wendung verdanken wir dem »Arbeitsjournal« (10. November 1943); doch richtig ordentlich lachen mußte ich jetzt beim Wiederlesen von Brechts Notaten des 2. August 1943, in denen es um eine Erklärung zugunsten des deutschen Volkes und gegen den Hitler-Faschismus geht, von der sich Thomas Mann plötzlich distanzierte: »th[omas] mann erinnert sich, wie er selber 1914 den einfall der kaiserlichen armeen in belgien zusammen mit 91 andern intellektuellen gut befunden hat. solch ein volk muß gezüchtigt werden! wie gesagt, für einen augenblick erwog ich sogar, wie ›das deutsche volk‹ sich rechtfertigen könnte, daß es nicht nur die untaten des hitlerregimes, sondern auch die romane des herrn mann geduldet hat, die letzteren ohne 20–30 ss-divisionen über sich.«
Den Champagnerkübel für Herrn Brecht!