Humorkritik | März 2008

März 2008

Inspektor gibt’s kaan

»Kottan ermittelt« war zu seiner Zeit ein ­Kuriosum, vielleicht sogar ein Phänomen: Eine Krimiserie aus Österreich, die mit ­einem misanthropischen, offen ausländerfeindlichen Kommissar aufwartete, der ­jeden Dirnenmord am liebsten dem nächstbesten Jugoslawen unterschieben wollte; eine Serie – mit zunächst nur einer Folge pro Jahr kaum als solche zu erkennen –, die ursprünglich ernsthaft angelegt war, in der aber bald schon subtil komische Szenen andeuteten, wohin die Reise später gehen würde. Der frühe Kottan hatte seine Momente: Peter Vogel spielte den Major (»Inspektor gibt’s kaan!«) der ersten Folgen ab 1976 trocken und routiniert, sein Assistent Schrammel (C.A. Tichy) war stets übereifrig und unter­belichtet, und der einbeinige Schremser (Walter Davy) von Beginn an der ruhende Pol und heimliche Star der Serie.

 

Mit den Wechseln zu Franz Buchrieser als melancholisch-weichem Kommissar und schließlich zum ausgewiesenen Kabarettisten Lukas Resetarits, der den Kottan schließlich als die zynische Figur etablierte, die heute mit der Serie verbunden wird, schlug »Kottan ermittelt« in den Achtzigern unwiderruflich den Weg zur Krimiparodie ein.

 

Beim Wiedersehen der gesammelten Abenteuer Adolf Kottans (unlängst in zwei opulenten DVD-Boxen erschienen, derzeit aber auch Mittwoch abends auf 3sat zu finden) sah ich mich gezwungen, zunächst einmal selbst einige Ermittlungen anzustellen: Warum noch mal fand man das einst komisch? Diese ewigen Selbstbezüglichkeiten! Dieser offenkundige Stolz auf den eigenen Schmäh! Das ermüdete mich ebenso wie das ironische In-die-Kamera-Gucken nach Viertelwitzen. Daß nicht nur die ersten Folgen unendlich langsam erzählt sind, mag ja den hübschen Beobachtungen des Wiener Kleinbürger- und -kriminellenmilieus der späten Siebziger- und frühen Achtzigerjahre zugute kommen. Aber die Selbstverliebtheit, mit der bescheidene Scherze zu endlos sich wiederholenden Running Gags ausgebaut werden, und der immer öder ausgespielte Wahnsinn der späten Episoden waren mir annähernd unerträglich: die Stubenfliegenobsession des Polizeipräsidenten Pilch! Der endlos ­variierte widerspenstige Getränkeautomat! Die sinnfreien Playbacknummern mit ­Kottans ­Kapelle, die die ohnehin dünnen Plots auch noch minutenlang unterbrachen!

 

Das alles dünkte mir dann doch sehr überholt und nur in den besseren Momenten ­liebenswürdig verschnarcht, in den schlechteren indes nervtötend, ja zäh bis ­ungenießbar. Nicht zuletzt die Sprüche aus der Feder Helmut Zenkers, die damals als Ausweis für einen spezifisch österreichischen Humor gegolten haben müssen, klingen heute wie aus einem der schlechteren Bud Spencer&Terence Hill-Filme geklaut: »In zwei Wochen ist Ostern!« – »Mir egal, ich geh net hin.« Wer da nicht persönliche Erinnerungen an schöne Momente vor dem Fernseher aufbieten kann, wer also heute zum ersten Mal Kottan sieht und nicht weiß, daß das damalige Fernsehprogramm, insbesondere das österreichische, noch sehr viel dröger war als Kottan und Kottan somit eine Insel der TV-Unterhaltung – der wird wahrscheinlich kaum noch begreifen, warum einigen heute fast Fünfzigjährigen »Kottan ermittelt« als Kult gilt.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Bild.de!

»Springer hatte im Januar bundesweit für Entsetzen gesorgt«, zwischentiteltest Du mit einem Mal überraschend selbstreferenziell. Und schriebst weiter: »Nach der Enthüllung des Potsdamer ›Remigrations‹-Treffens von AfD-Politikern und Rechtsextremisten postete Springer: ›Wir werden Ausländer zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimnis. Das ist ein Versprechen.‹« Und: »In Jüterbog wetterte Springer jetzt gegen ›dahergelaufene Messermänner‹ und ›Geld für Radwege in Peru‹«.

Dass es in dem Artikel gar nicht um Dich bzw. den hinter Dir stehenden Arschverlag geht, sondern lediglich der Brandenburger AfD-Vorsitzende René Springer zitiert wird, fällt da kaum auf!

Zumindest nicht Titanic

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

 Grüß Gott, Businesspäpstin Diana zur Löwen!

Du verkaufst seit Neuestem einen »Anxiety Ring«, dessen »bewegliche Perlen« beim Stressabbau helfen sollen. Mal abgesehen davon, dass das einfach nur das hundertste Fummelspielzeug ist, kommen uns von ihren Nutzer/innen glorifizierte und zur Seelenerleichterung eingesetzte bewegliche Perlen an einer Kette verdächtig bekannt vor.

Ist für Dich natürlich super, denn auch wenn Du Deinen treuen Fans skrupellos das Geld aus der Tasche ziehst, in die Hölle kommst Du zumindest für diese Aktion sicher nicht.

Auch wenn dafür betet:

Deine Titanic

 Clever, »Brigitte«!

Du lockst mit der Überschrift »Fünf typische Probleme intelligenter Menschen«, und wir sind blöd genug, um draufzuklicken. Wir lernen, dass klug ist: wer mehr denkt, als er spricht, wer sich ungeschickt im Smalltalk anstellt, wer sich im Job schnell langweilt, wer sich mit Entscheidungen schwertut, wer bei Streit den Kürzeren zieht und wer ständig von Selbstzweifeln geplagt wird.

Frustriert stellen wir fest, dass eigentlich nichts von alledem auf uns zutrifft. Und als die Schwachköpfe, die wir nun einmal sind, trauen wir uns fast gar nicht, Dich, liebe Brigitte, zu fragen: Waren das jetzt nicht insgesamt sechs Probleme?

Ungezählte Grüße von Deiner Titanic

 Warum, Internet?

Täglich ermöglichst Du Meldungen wie diese: »›Problematisch‹: Autofahrern droht Spritpreis-Hammer – ADAC beobachtet Teuer-Trend« (infranken.de).

Warum greifst Du da nicht ein? Du kennst doch jene Unsichtbar-Hand, die alles zum Kapitalismus-Besten regelt? Du weißt doch selbst davon zu berichten, dass Millionen Auto-Süchtige mit Dauer-Brummbrumm in ihren Monster-Karren Städte und Länder terrorisieren und zum Klima-Garaus beitragen? Und eine Lobby-Organisation für Immer-Mehr-Verbrauch Höher-Preise erst verursacht?

Wo genau ist eigentlich das Verständlich-Problem?

Rätselt Deine alte Skeptisch-Tante Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
03.05.2024 Stuttgart, Im Wizemann Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella
04.05.2024 Jena, F-Haus Martin Sonneborn mit Sibylle Berg