Humorkritik | Februar 2008
Februar 2008
Philosophie und Moral
Zwei Bücher unternehmen derzeit den Versuch, mich davon zu überzeugen, daß hinter Comicserien evtl. mehr stecken könne als nur leichte Unterhaltung. Dieser Überzeugung bin ich allerdings schon lange, weshalb es Christian Ankowitschs »Das Gute und das Fiese. Richtig leben mit SpongeBob/Schwammkopf« (Booklett Verlag) und »Die Simpsons und die Philosophie« (herausgegeben von W. Irwin, M.T. Conrad und A.J. Skoble, Tropen Verlag) nicht leichthatten, bei mir zu reüssieren. Und tatsächlich fiel Ankowitschs Moralkompendium in meiner Gunst durch. Doch dazu später.
In »Die Simpsons und die Philosophie« unternehmen ein gutes Dutzend amerikanischer Philosophieprofessoren den Versuch, das Verhalten der Simpsons und einiger ihrer Springfielder Nachbarn auf der Grundlage der bekanntesten philosophischen Theorien zu erklären. So etwa Homers zweifelhaften Charakter: Moralisch betrachtet läßt sich wenig Gutes über das Oberhaupt der schrecklich gelben Familie sagen – und doch ist etwas an ihm bewundernswert. Wie um Aristoteles willen kann das sein? Es ist, das sei hier verraten, der Umstand, daß Homer zwar selbstsüchtig und gierig ist, nicht aber böswillig, daß er für seine Veranlagung und die Umstände seiner Sozialisation nicht verantwortlich gemacht werden kann und daß er trotz aller widrigen Umstände eine sehr vitale Lebenslust an den Tag legt. Was nicht heißt, daß Homer selbst bewundernswert wäre, sondern daß er einen bewundernswerten Charakterzug besitzt.
»Marges moralische Motivation« wird in einem gleichnamigen Kapitel anhand der aristotelischen Tugendlehre entschlüsselt, Barts Bosheit mit den Paradigmen des »großmäuligen Philosophierowdys« Nietzsche enggeführt, und die Art und Weise, wie Lisas intellektuelles Verhalten und die Reaktionen ihrer Umwelt dargestellt werden, wird zur Grundlage einer Studie des amerikanischen Antiintellektualismus. Selbst spekulative Theorien der Art, Maggies Schweigen habe etwas mit dem weisen Schweigen gemein, das fernöstliche Philosophien lehren, sind, wenn sie schon weit hergeholt sind, doch immer noch amüsant zu lesen. Wie überhaupt das ganze Buch nicht nur durch die hübschen Schlaglichter auf das Simpsons-Universum besticht, sondern vor allem durch seinen angenehm populären Ansatz, dem Leser wenigstens die Grundrisse der großen philosophischen Gebäude aus drei Jahrtausenden zu zeigen.
Christian Ankowitschs Erörterungen über Moral, Ethik und Philosophie bei Spongebob Schwammkopf (der Schrägstrich auf dem Buchtitel hat da eigentlich nichts zu suchen) nehmen sich je eine Folge der Zeichentrickserie vor, von der ich mir habe sagen lassen, sie sei auch bei aufgeklärten Erwachsenen ob ihres komischen Unterhaltungswertes beliebt. Auf dem Cover steht nun zwar, Ankowitschs Brevier sei für »Leser von 7 bis 77« geschrieben; tatsächlich aber wendet es sich recht dezidiert an die Leser zwischen sieben und neun – und da liegt der Hase schon im Pfeffer. Denn so klug und zutreffend die Erkenntnisse über Selbstvertrauen, Verantwortung, Gerechtigkeit, Mut, Glück, Mitleid usw. sein mögen, die der ehemalige Chef des Zeit-»Lebens« aus den Spongebob-Abenteuern destilliert hat, so wenig kann ich den Märchenonkeltonfall leiden, der mich mit absichtsvoll naiven »Wie es kommt, daß diesunddas«- und »Warum wir alle soundso«-Fragen unterfordert.
Zumal ich stark vermute, daß Kinder diese Botschaften, die ja nicht zufällig in den Spongebob-Episoden versteckt sind, allemal lieber intuitiv und eben in Comics versteckt präsentiert bekommen möchten, als ein Buch voll mit »Und die Moral von der Geschicht’…«, ohne die Geschichte selbst zu sehen. Auch ich hätte mich als Kind mehr für Grimms Märchen interessiert als für Eugen Drewermanns tiefenpsychologische Deutungen derselben, selbst wenn Drewermann sie in Ankowitschs Märchenonkeltonfall geschrieben hätte. Und so hatte ich schon nach wenigen Kapiteln, die zudem noch mit unnötig vielen unnötig bunten Marginalien illustriert werden, genug Anleitungen für »das richtige Leben jenseits des Fernsehens« (Klappentext), um auf weitere Ratschläge Ankowitschs, den ich ansonsten durchaus schätze, gut und gerne verzichten zu können. Wenn Ihr Bücherhaushaltsplan in diesem Monat also nur ein Buch zuläßt: Nehmen Sie doch das Simpsons-Philosophicum.