Humorkritik | August 2008

August 2008

Spengler als Satiriker

Nachdem er mit seiner weltgeschichtlichen Betrachtung über den »Untergang des Abendlandes« berühmt geworden war, suchte Oswald Spengler in den frühen Jahren der Weimarer Republik Anschluß an nationalistische und völkische Kreise, an Fememörder, Putschisten, Frondeure und reaktionäre Reichswehrgeneräle. Die parlamentarische Demokratie war ihm ein Greuel; er hielt auch nichts von Presse- und Versammlungsfreiheit, und wenn es nach Spengler gegangen wäre, hätten in Deutschland weder lebenslustige Revuetheatergirls noch muntere Jazzkapellen jemals ein Bein an den Boden gekriegt, ganz zu schweigen von dem »Literatengeschmeiß«, mit dem er aufräumen wollte. Was er sich ersehnte, war »eine Diktatur, irgend etwas Napoleonisches«, das seinem hochgezüchteten Geschmack entgegenkam (»Aber dann muß Blut fließen, je mehr, desto besser«).

 

Einen ausgeprägten Sinn für Humor hat Spengler noch keiner seiner Bewunderer bescheinigt, und doch hat er einmal versucht, Satiregeschichte zu schreiben. In einem Brief vom 4. November 1923 wies er den Generaldirektor der Nürnberger Gutehoffnungshütte, Dr. rer. nat. h.c. Paul Reusch, auf eine interessante Entwicklung hin: »Ich hatte schon seit Monaten, auch Ihnen gegenüber, die Notwendigkeit erörtert, eine satirische Zeitschrift von schärfster Richtung auf der nationalen Seite unserer Politik zu haben und dabei an den Erwerb einer schon bestehenden Zeitschrift gedacht, da eine Neugründung angesichts unserer Wirtschaftslage außerhalb der Diskussion steht.« Und nun habe sich herausgestellt, daß der Simplicissimus »unmittelbar vor der Liquidation steht, wenn nicht im letzten Augenblick durch Verwandlung in eine A.-G. der letzte Akt noch etwas hinausgeschoben wird«. Kurzum, Spengler plante eine feindliche Übernahme des traditionsreichen Satireblatts, und der Industrielle Reusch sollte die notwendigen Kontakte zu potentiellen Geldgebern herstellen: »Ich habe ein rein politisches Interesse daran, weil ich die Wirkung der Satire gerade auf die heutige Stimmung unseres Volkes sehr hoch anschlage.«

 

In einem weiteren Brief sprach Spengler gewisse Probleme an, die sich ergeben könnten: »Am schwierigsten wird es sein, das Mißtrauen der Anteilseigner zu überwinden, die Geld brauchen, aber das Stimmrecht nicht aus der Hand geben möchten.« Die redaktionelle Arbeit stellte er sich hingegen recht einfach vor. »Eine wirkliche Redaktion gibt es nicht«, schrieb er. »Die Zeichner kommen einfach jede Woche einmal zusammen und suchen sich den Text zu ihren Bildern heraus. Nun wüßte ich einige Mitarbeiter, von denen der eine oder andere die Schriftleitung übernehmen könnte und würde. Es ist auch nicht schwer, für ein nationales satirisches Blatt etwa von der Bedeutung des englischen Punch einen großen Leserkreis im Inlande und unter den Auslandsdeutschen zu erwerben« (siehe Oswald Spengler: Briefe 1913–1936, hrsg. von Anton M. Koktanek, München 1963).

 

Diese Pläne zerschlugen sich. Geblieben ist der Nachwelt nur die ulkige Vorstellung, was für eine Figur der Riesengriesgram Spengler damals wohl als »senior editor« des Simpl abgegeben hätte. Wäre das nicht ein prächtiger Stoff für eine historische Sitcom? Mit Ottfried Fischer als Oswald Spengler? Oder wäre das der endgültige Untergang des Abendlandes?

  

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
02.05.2024 Dresden, Schauburg Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
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