Humorkritik | August 2008

August 2008

Der gute, alte, zu Unrecht tote George Carlin

Obwohl ich zur amerikanischen Stand Up-Größe George Carlin bereits so ziemlich das Allermeiste gesagt habe (TITANIC 10/04), soll mir der Tod dieses außergewöhnlichen Komikers aber doch schon Anlaß sein, post mortem auch sein Alterswerk zu preisen. In zwei Aufzeichnungen für den Bezahlsender HBO (»Life Is Worth Losing«, 2005) und erst kürzlich in »It’s Bad For You« zeigte der auch körperlich harsch gealterte Mann, daß er noch immer energischer, überraschender und vor allem witziger sein konnte als alle seine jüngeren Nachahmer.

 

Seine häufig wiederholte These: Geboren worden zu sein, sei eine Eintrittskarte in eine Freak-Show, und in den USA geboren zu sein, ein Platz in der ersten Reihe –  kann man getrost als Grundlage seines Schaffens verstehen: eine möglichst große Distanz zwischen sich und die amerikanische Gesellschaft samt Verfaßtheit und Geschichte der menschlichen Spezies im allgemeinen zu bringen.

 

So ist »Life Is Worth Losing« eine Ansammlung morbider Betrachtungen zu Themen wie Suizid und Weltuntergang, die auch dem letzten Zuschauer den flachen Gedanken austreibt, daß Komik fröhlich, lebensbejahend oder gar bekömmlich sein müsse. Doch egal wie brachial und pessimistisch Carlin sich inszenierte, die Exaktheit seiner Sprache und seines Erzählrhythmus, seine über Dezennien perfektionierte Bühnenpräsenz und der kluge Umgang mit den Werkzeugen seiner Kunst hoben ihn weit über den Durchschnitt hinaus. So gelang Carlin das Kunststück, stets erfolgreich zu bleiben, ohne je Teil des industrialisierten Mainstream-Komikgeschäfts der USA werden zu müssen.

 

Sein letztes Programm »It’s Bad For You« kann man nun wohl als repräsentatives Abschlußwerk ansehen. Neben schönen Nummern über Vorteile des hohen Alters (»You can even shit in your pants«) und über den Zeitraum, den man verstorbenen Freunden im Adreßbuch zu verbleiben zugesteht, machte mich vor allem der unmittelbare und bewußt pointenfreie Einstieg lachen, den so komisch nur ein George Carlin zu präsentieren vermochte: »I like to begin by saying, fuck Lance Armstrong, fuck him and his balls and his bicycles and his steroids and his yellow shirts and the dumb empty expression on his face, I’m tired of that asshole and while you’re at it: fuck Tiger Woods, too.«

 

Am 22. Juni verstarb er vollkommen zu Unrecht, nachdem er nur einen Tag zuvor in Las Vegas ein letztes Mal auf der Bühne gestanden hatte.

  

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Briefe an die Leser

 Prophetisch, »Antenne Thüringen«?

Oder wie sollen wir den Song verstehen, den Du direkt nach der von Dir live übertragenen Diskussion zwischen Mario Voigt und Björn Höcke eingespielt hast? Zwar hat der Thüringer CDU-Fraktionschef Höckes Angebot einer Zusammenarbeit nach der Wahl ausgeschlagen. Aber es wettet ja so manche/r darauf, dass die Union je nach Wahlergebnis doch noch machthungrig einknickt. Du jedenfalls lässt im Anschluss den Musiker Cyril mit seinem Remake des Siebziger-Lieds »Stumblin’ in« zu Wort kommen: »Our love is alive / I’ve fallen for you / Whatever you do / Cause, baby, you’ve shown me so many things that I never knew / Whatever it takes / Baby, I’ll do it for you / Whatever you need / Baby, you got it from me.« Wenn das nicht mal eine Hymne auf eine blau-schwarze Koalition ist!

Hätte sich dann doch eher »Highway to Hell« gewünscht: Titanic

 Aha bzw. aua, Voltaren!

Das wussten wir gar nicht, was da in Deiner Anzeige steht: »Ein Lächeln ist oft eine Maske, die 1 von 3 Personen aufsetzt, um Schmerzen zu verbergen. Lass uns helfen. Voltaren.«

Mal von der Frage abgesehen, wie Du auf die 1 von 3 Personen kommst, ist es natürlich toll, dass Du offenbar eine Salbe entwickelt hast, die das Lächeln verschwinden lässt und den Schmerz zum Vorschein bringt!

Gratuliert salbungsvoll: Titanic

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

 Hä, »Spiegel«?

»Aber gesund machen wird diese Legalisierung niemanden!« schreibst Du in einem Kommentar zum neuen Cannabisgesetz. »Ach, echt nicht?« fragen wir uns da verblüfft. Wir waren bisher fest vom Gegenteil überzeugt. Immerhin haben Kiffer/innen oft sehr gute feinmotorische Fähigkeiten, einen gesunden Appetit und ärgern sich selten. Hinzu kommen die unzähligen Reggaesongs, in denen das Kiffgras als »Healing of the Nation« bezeichnet wird. All dies willst Du nun tatsächlich infrage stellen? Da lieber noch mal ganz in Ruhe drüber nachdenken!

Empfehlen Deine Blättchenfreund/innen von Titanic

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg