Humorkritik | August 2008

August 2008

Lachmann-Preis

Texte, die für den Ingeborg Bachmann-Preis infrage kommen, fallen normalerweise nicht in mein Fach. In diesem Jahr wurde indes nicht nur das Literaturcasting verknappt – weniger Kandidaten, weniger Juroren, weniger Zeit –, nein, der Hauptgewinner Tilman Rammstedt hat einen komisch gemeinten Text über einen Großvater verlesen: »Der Kaiser von China«, angeblich ein Romanauszug. Rammstedt hat gedruckten Augenzeugenberichten zufolge nicht allein das Publikum im Saal köstlich amüsiert, auch die Jury – mit einer Ausnahme – mochte sich der Begeisterung nicht verschließen, denn selbst die Fernsehzuschauer haben ihm den Publikumspreis zukommen lassen.

 

Ob das am brillanten Vortrag des Autors gelegen hat, kann ich nicht beurteilen, sicher ist, daß sich vor dem bierernsten grauen Dunst des üblichen Bachmann-Beitrags fast jeder Unterhaltungsversuch angenehm abheben muß, zumal wenn er, wie dieser, nicht nur gut gemeint, sondern auch solid gemacht ist – mehr allerdings auch nicht: Beim Lesen fand ich die sechzehn Seiten recht bieder und bestenfalls humoristisch.

 

Schrullige Großeltern und niedliche Kinder eignen sich bekanntlich hervorragend für diese Zwecke, selbst in sympathischen kleinen Filmen wie »Little Miss Sunshine« sorgen sie für die Höhepunkte des Vergnügens. Das Familien-Rezept ist bewährt: Man nehme eine gut abgehangene Figur, die man vor einem vertrauten Fond auf überschaubare Eigenheiten reduziert, und forme daraus handliche Anekdoten, die mit süßsauren Kommentaren eines Ich-Erzählers gewürzt und faustdicken Pointen garniert werden.

 

Wie man solche Pointen ins absurd Komische steigert, hat vor hundert Jahren schon Jaroslav Hašek vorgemacht, der in Grotesken wie »Herrn Solivars Scheidung« dort Lacher erzielt, wo es bei Rammstedt allenfalls zu Schmunzlern reicht. Einer der begeisterten Kritiker fühlte sich dennoch auf »Tristram Shandy«-Niveau unterhalten – ich mußte indessen weniger an Lawrence Sterne und mehr an einen routinierten Glossisten wie Axel Hacke denken. Er sollte sich bewerben beim nächsten Bachmann-Preis.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Puh, »Frankfurter Rundschau«!

»Während im Süden Europas weiter enorme Hitze herrscht, sorgt ein kurzweiliges Tief in Deutschland für eine Abkühlung.« Es bleibt aber dabei: Die Tiefs sorgen für Abkühlung, und für die Kurzweil sorgen Deine Sprachkapriolen. Nicht durcheinanderbringen!

Warm grüßt Titanic

 Huhu, »Tagespost«, Würzburg!

Du bist die einzige überregionale katholische Wochenzeitung in Deutschland und freust Dich in einem Kommentar, dass die Deutsche Bischofskonferenz die spektakuläre Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele in Paris verurteilt, weil auch sie in dem dort veranstalteten Bacchanal eine Abendmahlparodie gesehen haben will. Du hältst es jedoch für überflüssig, dass die Bischöfe dabei meinen, »zur Rechtfertigung ihrer Kritik auf die religiösen Gefühle anderer Religionen Bezug nehmen zu müssen. Warum nicht einfach die blasphemische Verhöhnung Christi und jenes Abends, in der das Sakrament der Eucharistie eingesetzt wurde, in aller Deutlichkeit und Direktheit verurteilen?« Exakt!

In welcher Form soll dies geschehen, was schlägst Du vor? »Gefragt wäre freilich keine künstliche Empörung, kein moralisches Aufplustern, sondern der authentische Ausdruck der Überzeugung, dass Gott seiner nicht spotten lässt, und die wohl schlimmste Sünde, die ein Mensch begehen kann, die Gotteslästerung ist.«

Waaas, Tagespost? Gotteslästerung schlimmer als Hostiendiebstahl, Kreditkartenbetrug und Völkermord? Und sogar schlimmer als Unzucht, Abtreibung und Selbstbefleckung?

Wenn Du das so siehst, dann kündigt wutschnaubend das Abo: Titanic

 Eine Frage, »Welt«-Newsletter …

Du informiertest Deine Abonnent/innen mit folgenden Worten über die Situation nach dem Hoteleinsturz in Kröv: »Bisher wurden zwei Menschen tot geborgen, weitere konnten verletzt – aber lebend – gerettet werden.« Aber wie viele Menschen wurden denn bitte verletzt, aber leider tot gerettet?

Rätselt knobelnd Titanic

 Hä, focus.de?

»Deutschlands Wirtschaft wankt«, berichtest Du und fragst: »Warum will die Ampel das einfach nicht sehen?« Ähem: Vielleicht wird der Bundesregierung da ja schlecht, wenn sie zu genau hinschaut. Hast Du darüber schon mal nachgedacht?

Üble Grüße von Titanic

 LOL, Model Anna Ermakova!

Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung verrieten Sie Ihre sprachlichen Ambitionen: »Ich möchte unbedingt lernen, Witze auf Deutsch zu machen. Ich will die Leute zum Lachen bringen, ohne dass sie nur über mich lachen«. In Deutschland fühlten Sie inzwischen »eine solche Wärme«.

Der war schon mal gut!

Loben die Witzeprofis von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Europa aphrodisiakt zurück

Wenn es hierzulande etwas im Überfluss gibt, dann verkalkte Senioren und hölzerne Greise. Warum also nicht etwas Sinnvolles mit ihnen anfangen, sie zu Pulver zerreiben und in China an Tiger gegen Schlaffheit der Genitalien verkaufen?

Theobald Fuchs

 Fachmann fürs Leben

Im Gegensatz zur Schule hat man im Zivildienst viele nützliche Dinge gelernt. Zum Beispiel, dass man die Körper von Menschen, die sich selbst nicht mehr bewegen können, regelmäßig umlagert, damit keine Seite wund wird. Um anhaltenden Druck auf die Haut zu minimieren, wende ich auch heute noch die Pfirsiche in der Obstschale alle paar Stunden.

Friedrich Krautzberger

 Bilden Sie mal einen Satz mit »AKW«

Der Bauer tat sich seinen Zeh
beim Pflügen auf dem AK W.

Jürgen Miedl

 Wahre Männer

Auto verkauft, weil das gute Olivenöl zu teuer geworden ist.

Uwe Becker

 Schierlingsbücher

Kaum jemand erinnert sich an das allererste selbstgelesene Buch. War es »Wo die wilden Kerle wohnen« oder doch Grimms Märchen? Schade, denke ich mir. Es könnte eine Wegmarke in die wunderbare Welt der Bibliophilie sein. In meiner Erinnerung wabert stattdessen leider nur ein unförmiger Brei aus Pixibüchern. Diesen Fehler möchte ich am Ende meines Leselebens nicht noch einmal machen. Und habe mir das Buch »Essbare Wildpflanzen« bestellt.

Teresa Habild

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 12.09.:

    "Heute detoxe ich im Manager-Retreat im Taunus": TITANIC-Chefredakteurin Julia Mateus im Interview mit dem Medieninsider.

  • 29.08.:

    Die FR erwähnt den "Björnout"-Startcartoon vom 28.08.

  • 27.08.: Bernd Eilert schreibt in der FAZ über den französischen Maler Marcel Bascoulard.
  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

  • 29.01.:

    Ein Nachruf auf Anna Poth von Christian Y. Schmidt im ND.

Titanic unterwegs
16.09.2024 Wiedensahl, Wilhelm-Busch-Geburtshaus Hilke Raddatz mit Tillmann Prüfer
17.09.2024 Stadthagen, Wilhelm-Busch-Gymnasium Wilhelm-Busch-Preis Hilke Raddatz mit Bernd Eilert
18.09.2024 Bonn, Rheinbühne Thomas Gsella
18.09.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner