Humorkritik | August 2008

August 2008

Chandlerismen und Chandler­ismus

Auch wenn ich im letzten Monat den Chandler-Übersetzer Hans Wollschläger der Unfähigkeit zeihen mußte – eines macht sein Murks auch deutlich: Wie gut Chandlers Romane sein müssen, daß nicht mal eine von faulen Stellen strotzende Übersetzung sie kaputt kriegt. Was selbstverständlich nicht nur für seine Romane gilt, sondern ebenso für seine weniger bekannten Kurzkrimis, die in den Bänden »Mord im Regen«, »Gefahr ist mein Geschäft« und »Der König in Gelb« gesammelt sind und durch die ich mich inzwischen ebenfalls hindurchgeschmökert habe. Immer wieder mußte ich von Kopf bis Fuß grinsen, wenn Chandler einen seiner typischen Vergleiche hervorholt und die eben selbst ein Wollschläger nicht zu verhudeln vermochte:

 

»Mein Konto bewegte sich auf einer Höhe, daß es den Gehsteig küssen konnte, ohne sich zu bücken«, heißt es gleich zu Beginn der kurzen Erzählung »Der Bleistift«; als ungleich höher erweist sich die Kunst der an den Haaren herbeigezauberten und doch treffenden Analogie: Die weiträumige Empfangshalle eines Flughafens hat »eine Ausdehnung von hier bis zum nächsten Frühstück«, ein »Polizeidialog« erinnert an einen »alten Schuhkarton«, und angesichts eines prächtigen Bungalows wird Chandlers Held Marlowe vor Neid vollends hyperbolisch: »Ich hätte eine Hypothek auf mein linkes Bein aufgenommen, wenn ich in so einem Haus hätte wohnen können.« In der Geschichte »Bay City Blues« wiederum ist »der Fischgeruch vom Restaurant des Mansion House Hotel so stark, daß man eine Garage darauf hätte bauen können«, und über einen Pförtner heißt es: »Seine blaue Uniformjacke paßte ihm wie der Stall einem Pferd.«

 

Diese Chandlerismen werden bis heute oft kopiert, aber selten erreicht. Schon Chandlers Erbe Ross MacDonald, dessen Privatdetektiv Lew Archer in den Fußstapfen von Philip Marlowe herumlief, kam dem Meister nur manchmal nahe: »Ihre dichten schwarzen Haare waren auf dem Kopf wie schlafende Erinnerungen zusammengerollt«, heißt es in »Die Akte Ferguson«, oder in »Die Küste der Barbaren«: »Die abstrakten Wörter flatterten und schwirrten wie Fledermäuse durch das Zwielicht« – indes, flattert und schwirrt das nicht schon etwas künstlich? Und ist nicht eher unkomisch, wie auch diese Stelle in »Sanftes Unheil«? »Noch immer drängten sich die Fragen in meinem Kopf. Fragen, bei denen ich den Vorgeschmack der Antwort schon auf der Zunge hatte: salzig wie Tränen oder das Meer, bitter wie Eisen oder Furcht, süß-sauer wie Papiergeld, das durch viele Hände gegangen ist«?

 

Bei solchen Vergleichen kann unsereins allenfalls mitleidig lächeln wie ein schiefes Bild. Ohnehin ist von dem Witz, dem Humor und der Selbstironie, die Chandlers Geschichten und Romane auch sonst würzen, bei MacDonald wenig zu lesen, seine Grundstimmung ist nicht das Komische, sondern, darin liegt das sanfte Unheil, mehr das Elegische. Und die hohe Kunst des Chandlerismus, so sehr sie seither durch immer neue Autorenhände geht, sie schmeckt – beißen Sie ruhig mal in den nächsten Krimi – bloß süß-sauer.

  

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Weiter so, uruguayischer Künstler Pablo Atchugarry!

Eine angeblich von Ihnen geschaffene Bronzeskulptur im englischen Cambridge soll an Prinz Philip erinnern, der dort von 1977 bis 2011 Kanzler der Universität war. Allerdings wird das Kunstwerk, das im Auftrag eines reichen Bauträgers angefertigt wurde, von vielen als verunglückt empfunden und zieht seit nunmehr zehn Jahren Spott auf sich.

Dass Sie mittlerweile die Urheberschaft leugnen, um Ihr Renommee als Künstler zu schützen, ist zwar verständlich, aber aus unserer Sicht völlig unnötig. Wenn sich das Konzept durchsetzt, lästige Promis, die uns über Jahrzehnte viel Zeit, Geld und Nerven gekostet haben, mit langlebigen Schrott-Monumenten zu schmähen, werden Sie sich vor Aufträgen bald kaum noch retten können. Und das Beste: Weil andere Großkopferte sich mit ihren Eskapaden zurückhalten würden, um nicht von Ihnen verewigt zu werden, sorgten Sie auch noch für Ruhe und gesellschaftlichen Frieden.

Hofft, dass dieser Vorschlag einen Stein ins Rollen bringt: Titanic

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Clever, »Brigitte«!

Du lockst mit der Überschrift »Fünf typische Probleme intelligenter Menschen«, und wir sind blöd genug, um draufzuklicken. Wir lernen, dass klug ist: wer mehr denkt, als er spricht, wer sich ungeschickt im Smalltalk anstellt, wer sich im Job schnell langweilt, wer sich mit Entscheidungen schwertut, wer bei Streit den Kürzeren zieht und wer ständig von Selbstzweifeln geplagt wird.

Frustriert stellen wir fest, dass eigentlich nichts von alledem auf uns zutrifft. Und als die Schwachköpfe, die wir nun einmal sind, trauen wir uns fast gar nicht, Dich, liebe Brigitte, zu fragen: Waren das jetzt nicht insgesamt sechs Probleme?

Ungezählte Grüße von Deiner Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
05.05.2024 Bonn, Rheinbühne Thomas Gsella
05.05.2024 Magdeburg, Factory Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
06.05.2024 Hannover, Pavillon Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
06.05.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner