Humorkritik | September 2007

September 2007

Komische Autounfälle

Dem hübschen Bändchen »Unfall. Porträt eines automobilen Moments« von Clemens Niedenthal (Jonas Verlag) liegt keine primär komische Intention zugrunde; dennoch mußte ich bei Lektüre dieser kleinen Kulturgeschichte des Verkehrsunfalls hin und wieder schmunzeln. Zum einen bergen einige Fotos von demolierten Kaleschen aus den ersten Jahren des Automobils etwas »Väter der Klamotte«-haft Komisches, und das nicht nur, weil die Schaulustigen auf vielen Aufnahmen im Halbkreis um das Wrack nebst allfälliger Unfallopfer posieren. Zum anderen ist es nicht selten zum Lachen, wie emotional die neue Technik abgelehnt, aber auch begrüßt wurde: »Der Arzt und Automobilist Charles Vermeulen entdeckte im Automobil einen idealen ›Vibrationsstuhl‹. 1907 schreibt er: ›Das beständige Schütteln des Automobils ist die Idealform der passiven Bewegung, wie sie die Mediziner nennen. Sie bewahrt den Arterien ihre Elastizität und verhindert den Blutgefäßkrampf. Darum sollte das Automobilfahren der bevorzugte Sport des Mannes sein, sobald er sich den Fünfzigern nähert.‹«

 

Auch die menschlichen Strategien, sich mit dem Verkehrsunfall zu arrangieren, bergen einige Komik, die Robert Musil im »Mann ohne Eigenschaften« für sich nutzbar machte: »Die Dame fühlte etwas Unangenehmes in der Herz-Magengrube, das sie berechtigt war, für Mitleid zu halten; es war ein unentschlossenes, lähmendes Gefühl. Der Herr sagte nach einigem Schweigen zu ihr: ›Diese schweren Kraftwagen, wie sie hier verwendet werden, haben einen zu langen Bremsweg.‹ Die Dame fühlte sich dadurch erleichtert und dankte mit einem aufmerksamen Blick. Sie hatte dieses Wort wohl schon manchmal gehört, aber sie wußte nicht, was ein Bremsweg sei und wollte es auch nicht wissen; es genügte ihr, daß dieser gräßliche Vorfall in irgendeine Ordnung zu bringen war und zu einem technischen Problem wurde, das sie nicht mehr unmittelbar anging.«

 

Je näher die Gegenwart in Niedenthals eben erschienenem Buch rückt, desto weniger gibt es allerdings zu lachen. Zwar ist auch die Verkehrserziehungstafel aus den Fünfzigerjahren – ein Suchbild mit allerhand alltäglichen Unfallgefahren – aus heutiger Perspektive naivkomisch anzusehen, zwar ist es immer noch komisch zu erfahren, daß der Citroën DS tatsächlich im Moment der Kollision seine nur an wenigen Schrauben befestigten Kotflügel von sich wirft, wie man es in den Filmen von Louis de Funès oder in Jacques Tatis »Trafic« gesehen hat – aber je mehr das Auto zum selbstverständlichen und manchmal nervtötenden Alltagswerkzeug wird, desto weniger läßt sich komikträchtige Unfallhöhe gewinnen.

 

Daß nicht nur der sprichwörtlich göttlichen Citroën-Deésse etwas Himmlisches oder, je nach Glaubensrichtung, Teuflisches innewohnte, was Roland Barthes das Automobil als »Äquivalent der großen gothischen Kathedralen« begreifen ließ, hat bereits Jörg Jochen Berns in seiner schönen kulturwissenschaft­lichen Abhandlung »Die Herkunft des Automobils aus Himmelstrionfo und Höllenmaschine« (Wagenbach 1996) schlüssig dargelegt, die ich Ihnen als Begleitlektüre zu Niedenthals »Unfall« hiermit ans Herz gelegt haben möchte.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hej, Gifflar!

Du bist das Zimtgebäck eines schwedischen Backwarenherstellers und möchtest mit einer Plakatkampagne den deutschen Markt aufrollen. Doch so sehr wir es begrüßen, wenn nicht mehr allein Köttbullar, Surströmming und Ikeas Hotdogs die schwedische Küche repräsentieren, so tief bedauern wir, dass Du mit Deinem Slogan alte Klischees reproduzierst: »Eine Schnecke voll Glück«? Willst Du denn für alle Ewigkeiten dem Stereotyp der schwedischen Langsamkeit hinterherkriechen? Als regierten dort immer noch Sozialdemokraten, Volvo und Schwedenpornos?

Damit wirst Du nie der Lieblingssnack der Metropolenjugend!

Sagen Dir Deine Zimt- und Zuckerschnecken von Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Weiter so, uruguayischer Künstler Pablo Atchugarry!

Eine angeblich von Ihnen geschaffene Bronzeskulptur im englischen Cambridge soll an Prinz Philip erinnern, der dort von 1977 bis 2011 Kanzler der Universität war. Allerdings wird das Kunstwerk, das im Auftrag eines reichen Bauträgers angefertigt wurde, von vielen als verunglückt empfunden und zieht seit nunmehr zehn Jahren Spott auf sich.

Dass Sie mittlerweile die Urheberschaft leugnen, um Ihr Renommee als Künstler zu schützen, ist zwar verständlich, aber aus unserer Sicht völlig unnötig. Wenn sich das Konzept durchsetzt, lästige Promis, die uns über Jahrzehnte viel Zeit, Geld und Nerven gekostet haben, mit langlebigen Schrott-Monumenten zu schmähen, werden Sie sich vor Aufträgen bald kaum noch retten können. Und das Beste: Weil andere Großkopferte sich mit ihren Eskapaden zurückhalten würden, um nicht von Ihnen verewigt zu werden, sorgten Sie auch noch für Ruhe und gesellschaftlichen Frieden.

Hofft, dass dieser Vorschlag einen Stein ins Rollen bringt: Titanic

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

 Clever, »Brigitte«!

Du lockst mit der Überschrift »Fünf typische Probleme intelligenter Menschen«, und wir sind blöd genug, um draufzuklicken. Wir lernen, dass klug ist: wer mehr denkt, als er spricht, wer sich ungeschickt im Smalltalk anstellt, wer sich im Job schnell langweilt, wer sich mit Entscheidungen schwertut, wer bei Streit den Kürzeren zieht und wer ständig von Selbstzweifeln geplagt wird.

Frustriert stellen wir fest, dass eigentlich nichts von alledem auf uns zutrifft. Und als die Schwachköpfe, die wir nun einmal sind, trauen wir uns fast gar nicht, Dich, liebe Brigitte, zu fragen: Waren das jetzt nicht insgesamt sechs Probleme?

Ungezählte Grüße von Deiner Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
05.05.2024 Bonn, Rheinbühne Thomas Gsella
05.05.2024 Magdeburg, Factory Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
06.05.2024 Hannover, Pavillon Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
06.05.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner