Humorkritik | Oktober 2007
Oktober 2007

Strunkiana
Anfang Oktober kommt ein österreichischer Film in ausgesuchte deutsche Kinos, dem ich möglichst viele Zuschauer wünsche: »Immer nie am Meer«. Den Regisseur Antonin Svoboda kennt man hierzulande noch kaum, die Hauptdarsteller schon eher, nämlich das österreichische Radikalkabarettistenduo Christoph Grissemann & Dirk Stermann und den deutschen Bühnenkünstler, Autor und Musiker Heinz Strunk. Die Handlung des Films ist schnell erzählt: Drei Männer, die sich nicht besonders gut kennen, verunfallen im Wald und sind über Tage hinweg in ihrem Auto eingeschlossen. Ihr Mercedes-Coupé ist zwischen Bäumen eingeklemmt, die Türen lassen sich nicht öffnen, die Fensterheber funktionieren nicht, und die Panzerglasscheiben lassen sich auch nicht einschlagen – denn der Wagen stammt aus dem Fuhrpark des früheren österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim.
So entwickelt sich zwischen den drei Unglücklichen eine, wie der Regisseur sie nennt, »Psychogroteske«, ein so beklemmendes wie unterhaltsames Folterkammerspiel, das ebenso von der grandiosen Darstellung der drei Laienschauspieler lebt wie von der Spannung, ob und wie das Trio doch noch die Freiheit erlangen könnte; denn die einzigen Nahrungsmittel an Bord – Prosecco und Heringssalat – gehen schnell zur Neige. Mich erinnerte dieser in jeder Hinsicht österreichische Film sehr an Paul Harathers Meisterwerk »Indien« (1993), in dem Alfred Dorfer und Josef Hader durch ein düsteres und matschbraunes Hotel- und Gaststättenösterreich reisen, das ebensowenig mit dem titelgebenden Indien zu tun hat wie Svobodas komisch-klaustrophobische Unfallstudie mit dem Meer.
Der Film sei jedenfalls dringendst empfohlen, wenngleich Heinz-Strunk-Freunde derzeit und in Zukunft auch anders auf ihre Kosten kommen können. »Fleisch ist mein Gemüse« wird derzeit von Christian Görlitz verfilmt, ein zweites Buch kommt im Herbst 2008, und gerade erschien seine zweite Kurzhörspiel-CD »Der Schorfopa« (tacheles!/ROOF Music). Warum ist Strunk so rastlos? Das beantwortet er im Booklet seiner neuen Hörspiel-CD gleich selbst: »Weil ich meinem großen Lebensziel, Comedy erst unschädlich zu machen und anschließend zu vernichten, erneut ein Stück näherkommen will. Denn, und darüber muß Konsens herrschen: Comedy ist Verrat an der großen, ehrenwerten Sache des Humors und nichts anderes als eine große, ausgemachte Schweinerei!«
Da möchte ich dem Manne gerne recht geben, der auf dieser CD eine grelle und originelle Mischung von Jingles, Kleinstdramen, Kurzreportagen und andere ehrenwerte Großkatastrophen vereint. Strunk brilliert als furchtloses Vielstimmwunder, mal als Womanizer und Sexmaniac Bernd Würmer, als nuschelnder Gesichtsoperateur oder als Vermarkter von »Schlimme-Augen-Wurst«. Außerdem glänzt Strunk abermals als Meister der geschickten Mehrfachverwurstung, denn nicht nur kennt man das Titelstück schon von dem 2003 bei Nobistor erschienenen Album »Einz«, auch andere Sachen hörten wir bereits in Vorversionen auf seinem 99er-Album »Der Schlagoberst kommt«. Bilanzierend gefallen die Furz-Rülps-Witze nach wie vor weniger, viel mehr dagegen die mittlerweile strunktypische Melange aus Frust, Triebstau und lebenssattem Losertum.
Das zum Glück nicht folgenlos bleibt. Auf dem »Schorfopa« begegnen wir auch dem (von »Einz« schon bekannten) Aufführungsdramolett »Zeit«, das gerade und aus reiner Freude an der Sache von der Frankfurter Produktionsfirma Filmstyler glanzvoll ins Optische übertragen wurde; unter www.das-werk.de/filmstyler kann es für vollkommen lau besichtigt werden, Hauptdarsteller Strunk inklusive.