Inhalt der Printausgabe

September 2006


Das ist der vierte Weltkrieg!
Was am 11. September wirklich passierte.
(Seite 3 von 4)

Ich baute wie üblich zwei Stapel: Texte, die dort und heute auf keinen Fall gingen; Texte, die dort und heute auf jeden Fall gingen.
Der Stapel der Texte, die dort und heute auf keinen Fall gingen, war wie immer der größte. Intern nannte ich ihn längst »Texte, die überall und immer auf keinen Fall gehen«. Es waren die Geschichten, auf die ich insgeheim am stolzesten war, Geschichten, keinem anderen zugänglich als mir. Selbst ich brauchte, wenn ich sie -verstehen wollte, die Hilfe der Fa. Alk & THC -Vereinigte Schlüsseldienste. Ein einziges Mal hatte ein Freund über eine dieser Geschichten aus -vollem Herzen gelacht und mit entrücktem Lächeln ihre Tief-gründigkeit gelobt. Am Tag darauf verteilte er, nur mit dem sog. Adamskostüm bekleidet, auf dem -Weddinger Leopoldplatz -Fotokopien des Kommuni-stischen Manifests an die -Linksabbieger. Eine homo-phobe Jung-türken-gang wollte ihm deshalb ans sog. Leder, doch ein Polizist -komplimentierte ihn ins Polizeiauto und chauffierte ihn zur Nervenklinik Wittenau. Als ich ihn dort -besuchte, ver-sicherte er mir, daß meine Geschichte und -seine psycho-tische Episode in keinem -kausalen Zusammenhang -stünden. Vielmehr sei ihm beim Lesen »einfach einiges klar« geworden.
 
Und wieder das Lied der Schlümpfe. Das Pentagon stehe in Flammen. Aus den Türmen regne es Papier. Ich umkrallte meine Textstapel.
Menschen fielen von den Türmen. Jetzt, -genau in diesem Moment, stürze ein Turm ein, jetzt -gerade, live, genau in diesem Moment. »Der Südturm ist eingestürzt«, faßte die erfolgreiche Stimme zusammen, »der Südturm.«
Diese merkwürdige Liebe der Psychotiker zum Detail, zur überflüssigen Arabeske. »Der Südturm.« Hatte nicht auch mein Weltrevolutionskumpel um jede Seitenzahl auf den -Kopien des Kommunistischen Manifests mit rotem Kugel-schreiber ein Herz gemalt, weil, wie er sagte, zum Klassenkampf unbedingt auch die Liebe -gehörte? Das habe ihm Spartakus verraten, der ihm im Schnäppchenmarkt von Karstadt erschienen sei. »Der Südturm.« Und jetzt breche das Pentagon zusammen.
»Der vierte Weltkrieg«, sagte die erfolgreiche Stimme, »das ist der vierte Weltkrieg.« Es war nicht auszumachen, ob das ihre Zählung war oder die der Anruferin.
In Wolfsburg stieg ein Mann zu, setzte sich und sprach zu seinem Handballen: »Mach mal den Fernseher an. Die haben das World Trade Center angegriffen.«
Wenn zwei Leute unabhängig voneinander das gleiche Ereignis berichten, gilt das Ereignis als ereignet. Das ist bei der BBC so, und bei mir war es auch so. Ich hatte Frau Entevau falsch eingeschätzt. Bloß gut, daß ich kein Psychiater war.


 
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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick