Inhalt der Printausgabe

September 2006


Das ist der vierte Weltkrieg!
Was am 11. September wirklich passierte.
(Seite 2 von 4)

Im Zug. Ein Mobiltelefon spielte das Lied der Schlümpfe. Das fand also jemand lustig. Ich flüsterte: »Telefon! Geht mal jemand ran, bitte, ich kann grad nicht!« Es war die zweite schlagfertige Antwort, die ich mir in all den Jahren erworben hatte. Die erste: »Warte fünf Minuten, dann kriegst du eine schlagfertige Antwort.«
Eine Frauenstimme: »In die Twen Täues?« Die Stimme einer erfolgreichen Frau, das konnte man hören. Das lag einmal an der besonderen Lexik, dem selbstverständlichen Gebrauch der exotischen Wendung Twin Towers. Zwillingstürme. Sie wiederholte, was der Anrufer oder die Anruferin ihr soeben mitgeteilt hatte, in einer Lautstärke, die jedem im Waggon deutlich machte, daß das Schicksal dieser Twin Towers auch ihn etwas anging. »In die Twen Täues?!«
 
Ich wußte damals nicht genau, was oder wo diese Twin Towers waren. Ich hatte allerdings davon gehört, daß in Frankfurt ein paar neue Türme gebaut worden waren, einer für die Deutsche Bank, ein anderer für die Messe oder dergleichen. Dann drang die eigentümliche Aussprache zu mir durch.
Die erfolgreiche Stimme prononcierte Twin mit einem u nach dem t, und mit einem i, das zum e sich öffnete, fast klang es wie Tuwen Towers. Towers sprach sie nicht etwa »Tauers«, sondern »Täues«. Die Tuwen Täues, das wurde nun deutlich, waren amerikanische Türme, und wenn die erfolgreiche Stimme von ihnen in einer Vertraulichkeit sprach, als ginge sie zwischen zwei hiesigen Terminen liebend gern dort shoppen, dann konnten diese Türme nirgendwo anders stehen als in New York. Hi, my name is World Trade Center, but my friends call me Tuwen Täues.
Erst letzte Woche noch war sie wahrscheinlich an den Twin Towers vorbeigegangen oder zwischen ihnen durch, slalomshoppen, und heute schon war irgend etwas mit den Twin Towers passiert, das ihr unglaublich schien. Sie sagte: »Ist nicht wahr.«
Folgt: kurze Rede einer erfolgreichen Stimme an ein so gut wie leeres Großraumabteil. »Meine Freundin! Sie arbeitet bei Äntiwi! In der Nachrichtenredaktion! Zwei Flugzeuge sind in das World Trade Center geflogen! Scheiße! Funkloch!« War: kurze Rede erfolgreicher Stimme an Großraumabteil. Ich dachte: Entevau heißt das. Entevau.
 
Ich war einmal mehr froh, kein Mobiltelefon zu besitzen. Ich trug mein Funkloch stets am Leib. Denn auch ich hatte einige Bekannte, die mich oft und gerne anriefen, um mir ihre aktuelle Weltsicht zu erklären oder die katastrophalen Folgen ihres neuesten hypochondrischen Anfalls. Ein Freund saß seit Jahren im Wedding, dritter Hof Souterrain, ein Zimmer Küche Durchlauferhitzer, und plante die Weltrevolution. Immer wenn ihm ein Plan produktionsreif schien, rief er mich an, um die Details zu besprechen. Es brauchte Geduld und Schauspielkunst, dabei nicht unhöflich zu werden.
Beides hatte die Dame hinter mir reichlich. Und noch einmal, mit geradezu grundschullehrerinnenhafter Empathie: »Na klar kannst du wieder anrufen! Ja, halt mich auf dem laufenden. Wahnsinn. Tschaui!«

 
    1 | 2 | 3 | 4   


Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick