Inhalt der Printausgabe

Juli 2004


EM 2004
Orte des Schreckens die wir niemals vergessen dürfen
(Seite 1 von 4)

Wie TITANIC einmal versuchte, dem Deutschen Fußball-Bund vor der EM 2004 Starthilfe zu geben

Protokoll eines Schildbürgerstreichs
Von Martin Sonneborn


 
"TITANIC ist kein Fußball-Magazin!"
(Fredi Bobic)

Ein Montag im Mai, 15.00 Uhr
Die Konferenz

Das beherrschende Thema der Redaktionskonferenz ist natürlich die drohende Maikäferplage. Andererseits steht die EM vor der Tür, und die deutsche Mannschaft verliert andauernd Spiele. Sollte man das Ganze nicht etwas professioneller angehen, als der Deutsche Fußball-Bund das tut? Und was ist mit der WM 2006? Weil wir sie ins Land geholt haben, ist die Nationalmannschaft automatisch qualifiziert - aber müßte man nicht langsam einen etwas besseren Kader heranbilden?
Eine Mail von Daniel Erk aus Berlin befeuert die Diskussion zusätzlich: Er hat eine Fotomontage geschickt, unter dem Rubrum "Orte des Schreckens" sind die schlimmsten Niederlagen der Fußball-Nationalmannschaft aufgeführt. Die Idee ist nicht schlecht. Aber: Reicht in dieser Krisensituation eine Fotomontage im Internet? Müßte man nicht eigentlich ein echtes Mahnmal bauen, es um die drei wahrscheinlichen Ergebnisse der EM-Vorrunden-Spiele ergänzen und dem DFB vors Haus stellen? Dochdoch, müßte man!

Dienstag, 1. Juni
Keine Ausschreibung

Über eine Annonce auf unserer Homepage machen wir einen Schildermacher ausfindig, der uns unterstützen will. Kritisch sichten wir andere Mahn- und Denkmale, entscheiden uns schlußendlich ohne Ausschreibung für haltbares Blech, eine Höhe von drei Metern und weiße Schrift auf schwarzem Grund. Der Schildermacher ist TITANIC-Leser, klingt seriös und freut sich: "Wenn's gegen den DFB geht, wunderbar!"

Donnerstag, 3. Juni
Terror im Anzug

Bei sommerlicher Hitze ziehen Tom Hintner und ich los, einen kompletten Woolworth-Satz der allerhäßlichsten Trainingsanzüge zu kaufen, die es für billiges Geld überhaupt gibt. Da natürlich keine elf passenden Anzüge zusammenkommen, werden Ober- und Unterteile verschiedener Modelle und Größen so lange hin- und hergetauscht, bis die Marktleiterin, eine penibel arbeitende Kassiererin und wir selbst einem Nervenzusammenbruch nahe sind. Die Reaktionen in der Redaktion sind verhalten: "Oh, schön warm!" "Aha. Meine Größe gab's nicht? Dann muß ich ja nicht mitmachen." "Das steht nicht in meinem Vertrag, daß ich so was anziehen muß!"

Samstag, 5. Juni, 10.30 Uhr
Das Mahnmal

Das Mahnmal wird in der Redaktion angeliefert. Es ist stabil, rechtschreibfehlerfrei, und die lange Liste der Niederlagen der Nationalmannschaft ist fast noch eindrucksvoller als gedacht. Um die Standfestigkeit zu erhöhen, schrauben wir auf der Rückseite ein altes Ivar-Regal fest. Wer schaut schon hinter Gedenktafeln?

 
Schweres Auswärtsspiel beim DFB

Montag, 7. Juni, 16.00 Uhr
Der Haß

Für die Homepage brauchen wir ein Foto. Bei 33 Grad steigt die Redaktion in die Trainingsanzüge und gruppiert sich vorm Bockenheimer Depot um das Schild. Redaktionsfotograf Hintner zieht sich intensive Haßgefühle zu, als er trotz der Hitze wie gewohnt in Zeitlupe agiert: Statt der effektiv benötigten 2000stel Sekunde braucht er quälende Minuten für jede Aufnahme, tauscht zwischendurch Batterien, Apparate und Verschlußklappen aus. Zum Glück haben die Redakteure gelernt, ihre Beschimpfungen so zu formulieren, daß sie auf den fertigen Fotos nicht zu sehen sind.

Dienstag, 8. Juni, 12.00 Uhr
Der erste Protest

Die Presse wird informiert, daß am kommenden Tag kurz vor der Pressekonferenz beim DFB eine Pressekonferenz von TITANIC stattfindet. Auch beim DFB. Ein Sportredakteur beklagt sich, daß er dann aber sehr früh aufstehen müsse.

17.00 Uhr
Der Tatort

Wie bei Aktionen üblich, fragen wir telefonisch bei der Polizei Frankfurt an, ob man "der Filmfirma TITANIC für die Dreharbeiten zum ›Tatort‹ ein Megaphon ausleihen" würde. Man würde, denn zu Filmleuten ist die Polizei immer nett. Thomas Gsella macht sich auf den Weg. Er soll einen leicht verwirrten alten Filmheini geben; eine Rolle, mit der er dann auch keine Probleme hat.


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Im andalusischen Sevilla hast Du eine Kontroverse ausgelöst, der Grund: Auf dem Plakat für das Spektakel »Semana Santa« (Karwoche) habest Du zu freizügig ausgesehen, zu erotisch, ja zu hot!

Tja, und wie wir das besagte Motiv anschauen, verschlägt es uns glatt die Sprache. Dieser sehnsüchtige Blick, der kaum bedeckte anmutige Körper! Da können wir nur flehentlich bitten: Jesus, führe uns nicht in Versuchung!

Deine Dir nur schwer widerstehenden Ungläubigen von der Titanic

 Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Nachdem Sie eine Klage wegen Rufschädigung eingereicht haben, wird nun voraussichtlich ein Prozess gegen den britischen Rockstar Brian Molko eingeleitet. Dieser hatte Sie bei einem Konzert seiner Band Placebo in Turin als Nazi und Faschistin bezeichnet.

Wir finden, da könnten Sie sich mal etwas lockermachen. Wer soll denn bitte noch durchblicken, ob Sie gerade »Post-«, »Proto-« oder »Feelgood-« als Präfix vor »Faschistin« bevorzugen? Und: Wegen solcher Empflichkeiten gleich vor Gericht zu gehen, kostet die Justiz so viel wertvolle Zeit. Die könnte sie doch auch nutzen, um Seenotretter/innen dingfest zu machen oder kritische Presse auszuschalten. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, Sie Snowflake?

Schlägt ganz gelassen vor: Titanic

 Hoppla, Berliner Gefängnischefs!

Drei von Euch haben laut Tagesspiegel wegen eines Fehlers der schwarz-roten Regierungskoalition statt einer Gehaltserhöhung weniger Geld bekommen. Aber der Ausbruch von Geldnöten soll durch einen Nachtragshaushalt verhindert werden. Da ja die Freundschaft bekanntlich beim Geld endet: Habt Ihr drei beim Blick auf Eure Kontoauszüge mal kurz über eine Ersatzfreiheitsstrafe für die nachgedacht, die das verbrochen haben?

Wollte diese Idee nur mal in den Raum stellen: Titanic

 Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Ein Vorschlag, Clemens Tönnies …

Während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat bei Schalke 04 sollen Sie in der Halbzeitpause einmal wutentbrannt in die Kabine gestürmt sein und als Kommentar zur miserablen Mannschaftsleistung ein Trikot zerrissen haben. Dabei hätten Sie das Trikot viel eindrücklicher schänden können, als es bloß zu zerfetzen, Tönnies!

Sie hätten es, wie Sie es aus Ihrem Job kennen, pökeln, durch den verschmutzten Fleischwolf drehen und schließlich von unterbezahlten Hilfskräften in minderwertige Kunstdärme pressen lassen können.

Aber hinterher ist man immer schlauer, gell?

Dreht Sie gern durch den Satirewolf: Titanic

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg