Inhalt der Printausgabe

Februar 2004


Humorkritik
(Seite 6 von 8)

Medizin nach Noten

"Die Ärzte" gehören zu den Produkten, bei denen der Aufguß besser ist als das Original. Die damals noch Westberliner Band begann in den achtziger Jahren, spielte als Trio scherzige Songs, war aber insgesamt von einer derartigen Substanzlosigkeit - allen Punkposen zum Trotz -, daß sich eine Zugewinngemeinschaft mit der Teenie-Postille Bravo geradezu aufdrängte. Als der Markt abgegrast schien, löste man sich auf und machte ernüchternde Erfahrungen in Soloprojekten.
Die Wiedervereinigung der Ärzte Anfang der neunziger Jahre glückte. Statt einzelner Songs produzierten sie nun ganze Alben, und bei den Konzerten konnte man immer öfter Musik hören. Nicht zuletzt fiel die Band durch souveränen Umgang mit der deutschen Sprache auf, was - auch vor dem Hintergrund des Gestammels vieler deutscher Rapper - nicht selbstverständlich ist. In einem Internetforum wurde der Band mal vorgeworfen, sie nehme sich nie ganz ernst - ein schöneres Lob für eine Rockband kann ich mir schwerlich vorstellen.
Waren die gelungeneren frühen Ärzte-Lieder ("Zu spät", "Du willst mich küssen", "Kamel-Rallye" u. a.) textlich Paraphrasen der alten Schlagerzeile "Liebeskummer lohnt sich nicht", kamen später allerhand Balladen, Gothic-Songs, Spotthymnen auf Weltverbesserer, Aufforderungen zur Weltverbesserung, Frust- und Freude-Songs und gepflegte Ferkeleien hinzu. Darüber hinaus widmen sich einige Songs der Grundsatzdebatte darüber, was denn Punk eigentlich ausmache - ein erregendes Thema für Leute, die Grundsatzdebatten mögen. Ihren einsamen künstlerischen Höhepunkt erreichten die Ärzte 1998 mit dem Album "13", welches die besten Vertreter der o.g. Songvarianten enthält. Dieses Modell wurde auf der Nachfolgeplatte "Runter mit den Spendierhosen, Unsichtbarer" variiert und mit dem neuesten Doppelalbum "Geräusch" auf die Spitze getrieben. Zum ersten Mal seit langem gibt es eine Ärzte-CD, die keinen ins Ohr gehenden Single-Song enthält.
Vielleicht ist es auch unfair, eine musikalische Steigerung zu erwarten. Die Originalität der Gruppe liegt eindeutig im Mix, die Zutaten gibt es auch anderswo. (Man vergleiche zum Beispiel "Jag Älskar Sverige!" mit Monty Python's "Finland".) Außerdem ist es ja auch eine Leistung, das Niveau zu halten. Ein Problem aber müssen die Ärzte lösen: das des Alterns. Wenn Farin Urlaub als gut erhaltener Enddreißiger bei Charlotte Roche Zuschauern, die seine Kinder sein könnten, erklärt, was ein Demotape ist - so ist das zwar nicht ohne Charme, allerdings auch der erste Schritt auf einem Weg, an dessen Ende der greise Udo Lindenberg menetekelt. Dieses Schicksal sollten die Ärzte sich und ihren Fans ersparen.


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hej, Gifflar!

Du bist das Zimtgebäck eines schwedischen Backwarenherstellers und möchtest mit einer Plakatkampagne den deutschen Markt aufrollen. Doch so sehr wir es begrüßen, wenn nicht mehr allein Köttbullar, Surströmming und Ikeas Hotdogs die schwedische Küche repräsentieren, so tief bedauern wir, dass Du mit Deinem Slogan alte Klischees reproduzierst: »Eine Schnecke voll Glück«? Willst Du denn für alle Ewigkeiten dem Stereotyp der schwedischen Langsamkeit hinterherkriechen? Als regierten dort immer noch Sozialdemokraten, Volvo und Schwedenpornos?

Damit wirst Du nie der Lieblingssnack der Metropolenjugend!

Sagen Dir Deine Zimt- und Zuckerschnecken von Titanic

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

 Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Die Bunte zitiert Sie mit der Aussage: »Um zu überleben, muss man gesund sein, und wenn man am gesündesten ist, sieht man einfach auch am jüngsten aus!« Gut, dass Sie diese Erkenntnis an uns weitergeben!

Geht jetzt zur Sicherheit bei jeder neuen Falte, Cellulitedelle und grauen Strähne zum Arzt:

Ihre greise Redaktion der Titanic

 Du, »Hörzu Wissen«,

weißt, wie Werbung geht! Mit »Die Sucht zu töten« machtest Du so richtig Lust auf Deine aktuelle Ausgabe, um erläuternd nachzulegen: »Bestialisch, sadistisch, rätselhaft: Was Menschen zu mordenden Monstern macht – acht Täter und die Geschichten ihrer grausamen Verbrechen.«

Wer kann sich da der Faszination der »dunklen Welt der Serienkiller« noch entziehen? Aber am Ende, liebe Hörzu Wissen, ist in diesem Zusammenhang doch die Implikation Deines Slogans »Hörzu Wissen – das Magazin, das schlauer macht!« das Allergruseligste!

Da erschauert sogar

Die True-Crime-resistente Redaktion der Titanic

 Aha bzw. aua, Voltaren!

Das wussten wir gar nicht, was da in Deiner Anzeige steht: »Ein Lächeln ist oft eine Maske, die 1 von 3 Personen aufsetzt, um Schmerzen zu verbergen. Lass uns helfen. Voltaren.«

Mal von der Frage abgesehen, wie Du auf die 1 von 3 Personen kommst, ist es natürlich toll, dass Du offenbar eine Salbe entwickelt hast, die das Lächeln verschwinden lässt und den Schmerz zum Vorschein bringt!

Gratuliert salbungsvoll: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Konsequent

Die Welt steckt in der Spermakrise. Anzahl und Qualität der wuseligen Eileiter-Flitzer nehmen rapide ab. Schon in wenigen Jahren könnten Männer ihre Zeugungsfähigkeit vollständig verlieren. Grund hierfür sind die Verkaufsschlager aus den Laboren westlicher Großkonzerne. Diese Produkte machen den Schädling platt, das Plastik weich und das Braterlebnis fettfrei und wundersam. Erfunden wurden diese chemischen Erfolgsverbindungen von – Überraschung – Y-Chromosom-Trägern. Toll, dass sich Männer am Ende doch an der Empfängnisverhütung beteiligen.

Teresa Habild

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg