Inhalt der Printausgabe

Februar 2004


Humorkritik
(Seite 3 von 8)

...& Anke Engelke

Anke Engelke jedenfalls wünsche ich bei ihrer im Frühjahr vom Stapel laufenden Late-Night-Show schon jetzt viel Glück; sie wird es brauchen. Denn auch wenn man den direkten Vergleich mit "Gott" (Engelke) Harald Schmidt beiseite läßt, so fehlt seiner Nachfolgerin doch auch fürs traditionelle, nicht-avantgardistische Spätnachtgeschäft mindestens die selbstgewisse Haltung und Pose des Souveräns, der vorm Zubettgehen noch mal Hof hält und mir energisch das Einschlafen verbietet.
"Ladykracher" ist eine nie ganz schlechte, in guten Momenten sogar sehr gute Show, die von Engelkes schauspielerischen Qualitäten lebt. Entsprechend schlimm sind ihre die Filmsketche einrahmenden Stand-up-Auftritte, die sie nicht spielen darf, sondern ableisten zu müssen scheint. Von den ganz und gar einfältigen und immergleichen Menstruations- und Fickwitzchen ihrer Moderation abgesehen, ist sie, wie sie da alleine und stets schon schüchtern auf der Bühne steht, in keiner Sekunde souverän; geradezu spürbar ihr Lauern auf Lacher, ihre völlige Abhängigkeit von der Sympathie des Publikums, ihr unbedingter Wille, geliebt zu werden - den hat man als Late-Night-Matador natürlich auch, darf ihn aber nicht zeigen, denn ohne ein Mindestmaß an Herablassung ist die komische und Late-Night-konstitutive Rolle des ewigen Bescheidwissers nun mal nicht zu haben; nicht zu reden von den Möglichkeiten, welche der Distanzierung mindestens von Publikum und Gästen, maximal sogar, wie bei Schmidt, der von Form, Format und Medium innewohnt.
Auffällt auch und ins Bild paßt, wie unsicher Engelke generell jenseits des rein Schauspielerischen ist, wie sie in Interviews zwischen grober Ironie plus Faxenmacherei und dem Privat-bin-ich-ganz-ernst-Ton des reifen Komikers wechselt und so die Chance vertut, mal nicht die Ulknudel mit den tausend Gesichtern zu sein - die sie spätnachts nicht sein darf, wo eine wenigstens halbernste mater familias, wo immer auch Conferencier und Anchorman, Kulenkampff und Wickert benötigt werden, um die Themen erst einmal seriös zu präsentieren, damit die Punchline was zum Schlagen hat.
Oder plant sie dreiviertelstündige Dauersketche und weiß auch gleich, wie das viermal die Woche zu bewerkstelligen wäre? Ich wüßt' es nicht.


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt