Inhalt der Printausgabe
Oktober 2003
Humorkritik
(Seite 4 von 7)
Whodafuck is Ali G.? |
Man könnte sich die Antwort auf die Frage einfach machen: einer der wenigen Lichtblicke auf Viva und virtueller Ideenlieferant für seine Plagiatoren Erkan & Stefan & Co. Ausführlicher geht es aber auch: Sacha Baron Cohen wurde 1970 geboren, seine Mutter stammt aus Israel, sein Vater aus Wales. Wenn man sich die bescheuerten kanariengelben Outfits seiner erfolgreichsten Figur vergegenwärtigt, ist es nicht ohne Ironie, daß den Barons mehrere gutgehende Textilbetriebe gehören. Der gelbe Baron studierte in Cambridge Geschichte, fand aber nebenbei Zeit, in der studentischen "Footlight"-Truppe Theater zu spielen - was vor ihm dort auch Michael Palin (Monty Python) und Mike Myers (Austin Powers) getan hatten. Nach einigen Jobs als Ansager stieß er 1998 als selbsternannte Stimme der Jugend zur "11 O'Clock Show" und schaffte im Jahr 2000 mit "Da Ali G. Show" den Durchbruch in Britannien. Die Figur des Hiphop-Fans aus dem Langweilerviertel Staines, der bei seiner Oma lebt, von Gruppensex träumt und von seiner Freundin herumkommandiert wird, sein frisiertes Auto aus der Parklücke quält und gegen die Eastside-Gang um die Schaukeln auf dem Kinderspielplatz kämpft, ist ziemlich rund und gelungen. Der Film zur Show folgte 2002 und war für ein Debüt recht ordentlich. Wenn man bedenkt, daß die Hiphop-Szene gegen Selbstironie ungefähr genauso immun ist wie der deutsche Schlager, ist es erstaunlich, daß die offenkundige Parodie auch bei Hiphop-Jüngern Erfolg hat. Sowie Mr. Cohen allerdings seinen Ali G. vom Kinderspielplatz in die große weite Welt entführt, beginnen die Probleme. Ursprünglich waren die Interviews in seiner Show mit Politikern und anderen Großkopfeten als witzige Provokation gemeint, nach längerem Hinsehen zeigt sich aber, daß Ali G.s Partner nichts anderes machen müssen, als die immer gleich dummen Fragen nach Sex & Drugs & Rock'n'Roll geduldig mißzuverstehen - dann stehen sie am Ende als Gewinner da. Ali G.s Methode, die vermeintlich Erwachsenen aus der Reserve zu locken, indem er Straßen- und Szenevokabular benutzt und eine selbst für einen Briten erstaunliche Notgeilheit durchblitzen läßt, provoziert indes niemanden mehr; und in was für ein Elend es führt, wenn man eine Masche bis zum Exzeß wiederholt, demonstriert gerade Stefan Raab aufs beeindruckendste. Sacha Baron Cohen hat bis jetzt Erfolg. "Da Ali G. Show" läuft in Amerika auf HBO, jetzt trudeln die ersten Angebote aus Hollywood ein. Wenn Mr. Baron seinem Repertoire nicht bald ein paar neue, überraschende Facetten hinzufügt, könnte er schnell zu einem Witz gerinnen, über den keiner mehr lachen kann. Nicht mal er selbst. |
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