Inhalt der Printausgabe

November 2003


Humorkritik
(Seite 5 von 7)

Komische Kündigung

Zwei meiner Neffen sind von Beruf Zeichner, komische Zeichner natürlich, wie soll es bei dem Onkel auch anders sein. Zusammen betreiben sie eine Zeichnerfirma, zu deren Kunden auch ein Geldinstitut zählte, dessen Kundenzeitschrift mit lustigen Zeichnung zu garnieren war. Die Bank zahlte nicht übermäßig, aber anständig und vor allem pünktlich. Mit der Qualität der Witzzeichnungen verhielt es sich genauso. Diese hervorragende Symbiose störte allein ein kleines Mißverständnis: Die Banker glaubten, die Originalzeichnungen seien nicht nur zum Abdruck freigegeben, sondern mit der Zahlung des Honorars in ihren Besitz übergegangen. Die Zeichner protestierten. Der Hausjurist der Bank prüfte und meinte, die Bank sei im Recht. Die Zeichner entgegneten, ein solches Gebaren sei absolut branchenunüblich und niemals rechtlich durchsetzbar. Die Banker gaben nach und teilten mit, daß "im Interesse einer störungsfreien zukünftigen Zusammenarbeit" die Zeichner ihre Zeichnungen zurückerhalten sollten; womit der Streit beigelegt und alles wieder seine Ordnung zu haben schien.
Kurz darauf erhielten meine Neffen folgende Nachricht von der Betreuungsredakteurin ihrer Bank:
"Liebe Herren, wie jede Redaktion sind auch wir bemüht, ein möglichst gutes Heft zu machen. Nach sechs Ausgaben war es für uns Zeit, über frischen Wind nachzudenken. Aus diesem Grund haben wir beschlossen, zukünftig auch anderen guten Cartoonisten eine Chance zu geben. Sollten wir wieder einen Auftrag zu vergeben haben, werde ich auf Sie zukommen.
Wir hoffen, daß Sie für diese Entscheidung Verständnis haben. Für die gute Zusammenarbeit möchte ich mich - auch im Namen der übrigen Redaktionsmitglieder - recht herzlich bedanken. Mit freundlichem Gruß
Eleonore Romana (Name geändert)."
Die Antwort der Zeichner lautete: "Frau Romana! Ihre verlogene Nachricht haben wir erhalten. Zu Ihrer Ehrenrettung und in Erahnung der feudalen Herrschaftsstrukturen in Ihrem Saftladen gehen wir davon aus, daß diese Entscheidung nicht auf Ihrem Mist gewachsen ist, sondern auf dem von Ihrem Chef. Mal ehrlich: Entweder ist der Grund für unseren Rausschmiß in der bekannten finanziell stark angespannten Situation Ihrer sauberen Institution zu finden oder aber darin, daß Sie es nicht verwinden konnten, mit Ihrem versuchten Bilderdiebstahl nicht erfolgreich gewesen zu sein. Das erträgt offenbar kein Mitglied einer Branche, die ihre Existenz auf gewissenlose Vorteilsnahme und rücksichtslose Ausbeutung, auf Schnäppchenjagd im großen Stil gründet.
Da Sie die Rolle der hilfswilligen und buckligen Untergebenen nach innen, als auch die der liebedienerisch Schleimigen nach außen offenbar bestens beherrschen, müssen wir uns ja um Ihre Zukunft im Bankfach keine Sorgen machen. Hüten Sie sich aber davor, uns jemals wieder einen Auftrag erteilen zu wollen. Wir können nicht ausschließen, daß wir darauf mit körperlicher Züchtigung reagieren."
Da erzähle mir noch einer, in unserer Zeit des hochentwickelten Kuschelkapitalismus sei die Jugend oberflächlich, hedonistisch und faul, fern von Freiheitswillen und Widerstandsgeist!


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/i nnen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt