Inhalt der Printausgabe

November 2003


Humorkritik
(Seite 3 von 7)

Ritter Runkel Revival

Sie werden sich gewiß noch an meinen Grundsatzartikel über die mitunter schwer dechiffrierbare DDR-Bilderzeitschrift Mosaik (TITANIC 1/1995) erinnern. Egal: Wir müssen schließlich nicht alles verstehen. Wie wir dito nicht verstehen müssen, warum es jetzt ein Buch gibt mit dem Titel "Ritter Runkel und seine Zeit" (edition caludia Berlin).
Ihnen dämmert's jetzt vielleicht: Ritter Runkel war die erfolgreichste und lustigste und spannendste Subserie in Mosaik. Millionen Leser folgten von Mai 1964 bis Juni 1969 dem liebenswerten Tolpatsch und seinen drolligen Knappen Dig und Dag durch dick und dünn. Daran muß sich auch der maßgebliche Konzeptor dieser furiosen Abenteuergeschichte, Lothar Dräger, erinnert haben. Er läßt den nunmehr kahlen Runkel im Burgkeller mit dem Saft seiner Runkelrüben experimentieren und der Zuckergewinnung auf die Spur kommen. Davon bekommen seine alten Kontrahenten in Venedig Wind und bangen um ihr Rohrzuckermonopol. Die ergrauten Widersacher prallen abermals aufeinander und - mehr möchte ich nicht verraten. Schließlich hat mir Lothar Dräger auch nicht verraten, warum sein Buch so heißt, wie es heißt. Weil gottunddiewelterklärende, fast aufdringlich belehrende Randglossen die Runkel-Story begleiten?
Runkelkenner werden zudem über die teilweise haarsträubenden logischen Brüche im "Anschluß" an die alte Geschichte stutzen. Und da habe ich den eigentlichen Hauptmakel am Wickel: Es ist ein Textbuch! Ritter Runkels tragikomische Gestalt wurde damit seiner hauptamtlichen Dimension beraubt. Zwar sind Umschlag, Vor- und Nachsatz, Titelei und fünf Einseiter vom begabten Ulf S. Graupner in Hannes-Hegen-Manier bebildert. Aber eben nur bebildert. Und eben nur in Hannes-Hegen-Manier. Früher sprachen die Bilder; nicht allein von der wahnwitzigen Detailversessenheit des Mosaik-Schöpfers Hannes Hegen, sondern oft genug von seiner Lust am übermütigen Witz. Lothar Drägers enzyklopädisches Wissen mag Hannes Hegens Bilder früher kongenial geführt und/oder ergänzt haben; sein 96-Seiten-Solobuch "Ritter Runkel und seine Zeit" ist nicht witzig. Und spannend leider auch nicht.


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

 Du, »Hörzu Wissen«,

weißt, wie Werbung geht! Mit »Die Sucht zu töten« machtest Du so richtig Lust auf Deine aktuelle Ausgabe, um erläuternd nachzulegen: »Bestialisch, sadistisch, rätselhaft: Was Menschen zu mordenden Monstern macht – acht Täter und die Geschichten ihrer grausamen Verbrechen.«

Wer kann sich da der Faszination der »dunklen Welt der Serienkiller« noch entziehen? Aber am Ende, liebe Hörzu Wissen, ist in diesem Zusammenhang doch die Implikation Deines Slogans »Hörzu Wissen – das Magazin, das schlauer macht!« das Allergruseligste!

Da erschauert sogar

Die True-Crime-resistente Redaktion der Titanic

 Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Rrrrr, Jesus von Nazareth!

Im andalusischen Sevilla hast Du eine Kontroverse ausgelöst, der Grund: Auf dem Plakat für das Spektakel »Semana Santa« (Karwoche) habest Du zu freizügig ausgesehen, zu erotisch, ja zu hot!

Tja, und wie wir das besagte Motiv anschauen, verschlägt es uns glatt die Sprache. Dieser sehnsüchtige Blick, der kaum bedeckte anmutige Körper! Da können wir nur flehentlich bitten: Jesus, führe uns nicht in Versuchung!

Deine Dir nur schwer widerstehenden Ungläubigen von der Titanic

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg