Inhalt der Printausgabe
November 2003
Humorkritik
(Seite 7 von 7)
Herr Lehmann R.I.P. |
"Herr Lehmann", das Buch, und "Herr Lehmann", der Film, haben eine zwingende Gemeinsamkeit: Es ist nicht alles schlecht an ihnen; beide haben, kurz gesagt, "Momente". In dieser Hinsicht ist Leander Haußmann die Verfilmung von Sven Regeners Roman gewissermaßen abstrakt geglückt. Der Autor wird sich trotzdem gewunden haben: denn wo das Buch über weite, weite Strecken in einer Belanglosigkeit verstreicht, die vielleicht doch dem Unspektakulären, gar dem Takt benachbart ist - oder zumindest gutwillig damit zu verwechseln -, ist der Film in gleicher Quantität ungehobelt, laut und plump. Er protzt, aber er protzt unbedacht und ahnungslos, wie alles Dilettantische: mit affigem Titeldesign, mit naiven Kameramätzchen und nicht zuletzt mit albernen, von keinerlei Stilempfinden getrübten Regieeinfällen, deren abgeschmacktester eine den Film formal beinahe entzweibrechende "Star Wars"-Parodie ist. Angereichert, um nicht zu sagen übersättigt ist all das mit einer unsensiblen und effekthascherischen Musikuntermalung aus dem englischsprachigen Independent-Plattenregal; unpassend anbiedernder geht es fast gar nicht. Dies alles ist schade, denn der Film ist bis in die Nebenrollen fabelhaft besetzt - mit einer eklatanten Ausnahme allerdings: Christian Ulmen moderiert den Film eher, als daß er in ihm agierte; wo er Gefühle zeigen soll, gerät ihm alles zur unbeholfenen Parodie; sein Herr Lehmann ist ein kindischer Besserwisser, während er im Buch doch eher ein kindlicher Anderswisser war. Das letzte Drittel des Films ist dann übrigens doch mehr als passabel: Herrn Lehmanns Diner mit den angereisten Eltern gehorcht einem formidablen Timing, die indolente Kreuzberger Trinkerrunde, die stoisch und gemütsruhig erst die Biere leert, bevor sie zur just geöffneten Mauer aufbricht, ist famos, und daß es schließlich sogar gelingt, das dort vorfindliche zwanghaft heilige Moment sinnloser kollektiver Euphorie glaubhaft darzustellen, das ist schon eine ziemliche Überraschung. Mehr davon wäre mehr gewesen. So bleibt nur zu wiederholen: Es ist nicht alles schlecht an Herrn Lehmann, dem Film und dem Buch. |
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