Inhalt der Printausgabe
Januar 2003
Humorkritik
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Nazikomödien |
Am Anfang stand das Meisterwerk: Nie wieder waren Nazis so lachhaft wie in Ernst Lubitschs "Sein oder Nichtsein". Und gleich am Anfang des Films steht das Motiv der Verwechslung: Der polnische Kleindarsteller Bronski möchte beweisen, daß er dem deutschen Groß-Feldherrn Hitler zum Erschrecken ähnlich sieht. Dafür geht er in Warschau, kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, auf die Straße - und die Polen fragen sich staunend: Hitler in Warschau? Die Antwort liefert ein Kind, das sich ein Autogramm wünscht - nicht von Hitler, sondern von Bronski. Bereits Chaplins "Großer Diktator" wollte zuviel: Komisch sein und am Ende ernst genommen werden. Ersteres war für Chaplin kein Problem. Roberto Benigni hat das Risiko, im KZ zu enden, durch ein kindliches Happy-End gemildert: "Das Leben ist schön" - zumindest schön sentimental. Der groß angekündigte Versuch, sich endlich auch im deutschen Fernsehen über die Nazis lustig zu machen, hat die Grundidee aus Chaplins Verwechslungskomödie übernommen, Benignis Sentimentalität auf eine jüdische Liebesgeschichte übertragen und von Lubitsch so gut wie nichts gelernt. Das Risiko, namhafte Nazigrößen zu tragenden Komödienfiguren zu machen, war vor "Goebbels und Geduldig" (ARD) noch keiner eingegangen, der über die Folgen lang genug nachgedacht hatte: Bei Lubitsch gehörte das Finale dem falschen Führer, bei Chaplin hieß der Diktator Hynckel und sprach Starrckdeutsch, Benigni ließ nur niederträchtige Chargen auftreten. Diese Auslassungen und Fiktionalisierungen erlauben grobe Karikaturen und reine Komik. Die Herren Steinbach (Drehbuch) und Wessel (Regisseur) haben hoch gepokert: Was sie vorhatten, hätte alles Dagewesene in diesem Genre glatt in den Schatten gestellt. Hat es natürlich nicht, denn zwischen "Goebbels und Geduldig" waren nichts als gute Ambitionen und große Konfusion. Dabei hatten die Verantwortlichen nicht mal einen Komiker im Ärmel, der über ihre Unentschiedenheit und Stillosigkeit hätte hinwegbluffen können. Dafür hatten sie die Crème der deutschen Fernseh-Asse, die mit ihren fleißig angelernten Dialekten nicht unwesentlich zu diesem Fiasko beitragen durften. Mir persönlich täte es leid, wenn damit eine Entwicklung witzigerer Stoffe aus diesem Milieu in nächster Zeit noch schwieriger würde. |
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