Inhalt der Printausgabe

Januar 2003


Humorkritik
(Seite 5 von 6)

Nazikomödien

Am Anfang stand das Meisterwerk: Nie wieder waren Nazis so lachhaft wie in Ernst Lubitschs "Sein oder Nichtsein". Und gleich am Anfang des Films steht das Motiv der Verwechslung: Der polnische Kleindarsteller Bronski möchte beweisen, daß er dem deutschen Groß-Feldherrn Hitler zum Erschrecken ähnlich sieht. Dafür geht er in Warschau, kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, auf die Straße - und die Polen fragen sich staunend: Hitler in Warschau? Die Antwort liefert ein Kind, das sich ein Autogramm wünscht - nicht von Hitler, sondern von Bronski.
Bereits Chaplins "Großer Diktator" wollte zuviel: Komisch sein und am Ende ernst genommen werden. Ersteres war für Chaplin kein Problem. Roberto Benigni hat das Risiko, im KZ zu enden, durch ein kindliches Happy-End gemildert: "Das Leben ist schön" - zumindest schön sentimental. Der groß angekündigte Versuch, sich endlich auch im deutschen Fernsehen über die Nazis lustig zu machen, hat die Grundidee aus Chaplins Verwechslungskomödie übernommen, Benignis Sentimentalität auf eine jüdische Liebesgeschichte übertragen und von Lubitsch so gut wie nichts gelernt. Das Risiko, namhafte Nazigrößen zu tragenden Komödienfiguren zu machen, war vor "Goebbels und Geduldig" (ARD) noch keiner eingegangen, der über die Folgen lang genug nachgedacht hatte: Bei Lubitsch gehörte das Finale dem falschen Führer, bei Chaplin hieß der Diktator Hynckel und sprach Starrckdeutsch, Benigni ließ nur niederträchtige Chargen auftreten. Diese Auslassungen und Fiktionalisierungen erlauben grobe Karikaturen und reine Komik.
Die Herren Steinbach (Drehbuch) und Wessel (Regisseur) haben hoch gepokert: Was sie vorhatten, hätte alles Dagewesene in diesem Genre glatt in den Schatten gestellt. Hat es natürlich nicht, denn zwischen "Goebbels und Geduldig" waren nichts als gute Ambitionen und große Konfusion. Dabei hatten die Verantwortlichen nicht mal einen Komiker im Ärmel, der über ihre Unentschiedenheit und Stillosigkeit hätte hinwegbluffen können. Dafür hatten sie die Crème der deutschen Fernseh-Asse, die mit ihren fleißig angelernten Dialekten nicht unwesentlich zu diesem Fiasko beitragen durften.
Mir persönlich täte es leid, wenn damit eine Entwicklung witzigerer Stoffe aus diesem Milieu in nächster Zeit noch schwieriger würde.



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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Nachdem Sie eine Klage wegen Rufschädigung eingereicht haben, wird nun voraussichtlich ein Prozess gegen den britischen Rockstar Brian Molko eingeleitet. Dieser hatte Sie bei einem Konzert seiner Band Placebo in Turin als Nazi und Faschistin bezeichnet.

Wir finden, da könnten Sie sich mal etwas lockermachen. Wer soll denn bitte noch durchblicken, ob Sie gerade »Post-«, »Proto-« oder »Feelgood-« als Präfix vor »Faschistin« bevorzugen? Und: Wegen solcher Empflichkeiten gleich vor Gericht zu gehen, kostet die Justiz so viel wertvolle Zeit. Die könnte sie doch auch nutzen, um Seenotretter/innen dingfest zu machen oder kritische Presse auszuschalten. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, Sie Snowflake?

Schlägt ganz gelassen vor: Titanic

 Hej, Gifflar!

Du bist das Zimtgebäck eines schwedischen Backwarenherstellers und möchtest mit einer Plakatkampagne den deutschen Markt aufrollen. Doch so sehr wir es begrüßen, wenn nicht mehr allein Köttbullar, Surströmming und Ikeas Hotdogs die schwedische Küche repräsentieren, so tief bedauern wir, dass Du mit Deinem Slogan alte Klischees reproduzierst: »Eine Schnecke voll Glück«? Willst Du denn für alle Ewigkeiten dem Stereotyp der schwedischen Langsamkeit hinterherkriechen? Als regierten dort immer noch Sozialdemokraten, Volvo und Schwedenpornos?

Damit wirst Du nie der Lieblingssnack der Metropolenjugend!

Sagen Dir Deine Zimt- und Zuckerschnecken von Titanic

 Warum, Internet?

Täglich ermöglichst Du Meldungen wie diese: »›Problematisch‹: Autofahrern droht Spritpreis-Hammer – ADAC beobachtet Teuer-Trend« (infranken.de).

Warum greifst Du da nicht ein? Du kennst doch jene Unsichtbar-Hand, die alles zum Kapitalismus-Besten regelt? Du weißt doch selbst davon zu berichten, dass Millionen Auto-Süchtige mit Dauer-Brummbrumm in ihren Monster-Karren Städte und Länder terrorisieren und zum Klima-Garaus beitragen? Und eine Lobby-Organisation für Immer-Mehr-Verbrauch Höher-Preise erst verursacht?

Wo genau ist eigentlich das Verständlich-Problem?

Rätselt Deine alte Skeptisch-Tante Titanic

 Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Die Bunte zitiert Sie mit der Aussage: »Um zu überleben, muss man gesund sein, und wenn man am gesündesten ist, sieht man einfach auch am jüngsten aus!« Gut, dass Sie diese Erkenntnis an uns weitergeben!

Geht jetzt zur Sicherheit bei jeder neuen Falte, Cellulitedelle und grauen Strähne zum Arzt:

Ihre greise Redaktion der Titanic

 Clever, »Brigitte«!

Du lockst mit der Überschrift »Fünf typische Probleme intelligenter Menschen«, und wir sind blöd genug, um draufzuklicken. Wir lernen, dass klug ist: wer mehr denkt, als er spricht, wer sich ungeschickt im Smalltalk anstellt, wer sich im Job schnell langweilt, wer sich mit Entscheidungen schwertut, wer bei Streit den Kürzeren zieht und wer ständig von Selbstzweifeln geplagt wird.

Frustriert stellen wir fest, dass eigentlich nichts von alledem auf uns zutrifft. Und als die Schwachköpfe, die wir nun einmal sind, trauen wir uns fast gar nicht, Dich, liebe Brigitte, zu fragen: Waren das jetzt nicht insgesamt sechs Probleme?

Ungezählte Grüße von Deiner Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

 Tödliche Pilzgerichte (1/1)

Gefühlte Champignons.

Lukas Haberland

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
02.05.2024 Dresden, Schauburg Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
03.05.2024 Stuttgart, Im Wizemann Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella