Inhalt der Printausgabe
Januar 2003
Humorkritik
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Dummbilanz 2002 |
Ein extra geiler Frauenname kam uns schon zu Beginn des Jahres mit der Jungschauspielerin Tokessa Möller-Martinius (also nochmals, zum Merken: Tokessa Möller-Martinius) unter; sie selber leider nicht; im engeren Sinne auf dem Gebiet der noch immer walkenden Geschlechtlichkeit war es vielmehr so, daß Boris Becker zum Start seiner Liebe mit P. Farameh, 28, mitteilte, er sei "selbst überrascht, daß er sich nach den jüngsten Turbulenzen in seinem Liebesleben so schnell wieder verliebt und gebunden habe", er brauche jetzt allerdings "Zeit zum Kennenlernen" Faramehs - nun, dazu reichte die Zeit nicht, ca. acht Wochen später waren beide wieder ungebunden, dafür trennte sich aber vorher auch noch Britney Spears, 20, von Justin Timberlake, 21; weil: ihr Terminkalender sei "einfach zu voll für einen Freund", und außerdem (!) sei sie "gekränkt" und "befremdet", weil Justin zuletzt "ständig mit seinem Gameboy gespielt habe". Wacklig stand es eine Weile auch um die Liebe Wussow-Scholz, bis Uschi Glas, gleichzeitig selber von ihrem Gatten getrennt, sich allzu weit aus dem Fenster hängte und Wussows öffentlichem "Rosenkrieg" die Würde absprach. "Was weiß sie von meinem Rosenkrieg?" parierte Wussow elegant, "einen großen Scheißdreck weiß sie!" (RTL 18.2.), und außerdem könne er, Wussow, Uschis Ehemann Tewag verstehen: Die Neue und Brezelfrau habe einfach mehr Speck um den Arsch herum. Gut traf es in diesem Sinne auch Effe Effenberg, der nach Strunzens Verfügung "Effe kann meine Frau haben" (Strunz 25.5., laut Bild) Strunzens Ehefrau Claudia übernahm. Und mit ihr zusammen fast ein vorzügliches Bild abgegeben hätte, wären die beiden als Paar nicht gar zu blond, ja richtiggehend strohdummblond. Im Fußball fiel sonst insbesondere Anfang des Jahres der Jungstar S. Deisler wg. Schlaumeierei auf und über die eigenen Stürmerbeine, insofern als er 10 Mio. Euro "Signing Fee", vom Vater Kilian erheischt, an den FC Bayern retourzahlen mußte, um den Fiskus nicht zu vergrämen. Dagegen erkannte Schumi Schumacher I mit 34 Jahren öffentlich die Notwendigkeit, erstmals wählen zu gehen, "in einer Demokratie darf man sich seiner Stimme wohl wirklich nicht enthalten" - ihrerseits die wiedererstarkte Fränzi van Almsick teilte etwa um die gleiche Zeit (FAZ 23.7.) mit, sie habe jetzt kurz vor der Europameisterschaft ihren "idealen Zustand erreicht", mit anderen Worten: "Da hängt nichts über, da klemmt nichts, da muß ich nichts reintreten." Und ähnlich ergeht es seit nunmehr schon fünf Jahren Lady Di, ihr will deshalb England endlich ein Denkmal im Londoner Hydepark setzen, so will es die Kulturministerin Tessa (nicht Tokessa) Jowell, jou werkli, well. "Lottozahlen immer blöder": Das Headlineniveau vom Sommer 2001 konnte zwar die Bild-Zeitung diesmal nicht ganz mehr halten; so wie alle Presseorgane des Landes geschwächt vom Ableben der "großen alten Dame des politischen Journalismus in Deutschland" (so unter vielen anderen wortgleichen Dönhoff-Nachrufern der Bayerische Rundfunk) und dann auch noch des "Menschenfischers" (AZ) Augstein, langte es für die bekannte Dreckszeitung bloß noch zur nicht bloß symbolischen Hochzeit ihres Chefredakteurs Kai mit seiner ärgsten Brechkraft Katja unter einem Trauzeugen (ehrlich wahr!) Helmut Kohl; aber immerhin auch dazu, mit einer Strafanzeige von Franz Müntefering (SPD) gegen das Blatt ein echt sozialdemokratisches "Dokument der Dummheit" (FAZ 8.8.) hervorzukitzeln. Ausgebootet wurde "Münte" jedoch von Rudolf Scharping bzw. seinem temporären PR-Berater und heimlichen Karrierekiller Moritz Hunzinger, welcher aber vorher noch schnell für den Verteidigungsminister und seine Angehörigen in einem Frankfurter Geschäft Kleidungsstücke im Wert von 27600 Euro eingekauft hatte - fraglos ein Meilenstein, ja ein Monolith der ragendsten sowohl als inkommensurabel-unerklärlichsten Megabescheuertheit an sich. Dagegen fällt im nachhinein die monatelang werkelnde Politburleske Möllemann-Karsli-Friedman-Spiegel und nochmals Möllemann letztendlich doch stark ab - und ja ohnehin nur einem mehr exklusiven Kreis von Kennern und Gönnern vorbehalten sind die gewohnheitsmäßig weiterkaspernden Topblödheiten des Theater- und zumal Regietheaterwesens im Rahmen des dort besonders "nebulosen Zeitgeists" (Bricmont/Sokal, 2000). Diesmal trugen mit ihrem "Meistersinger"-Schwachsinn in Stuttgart und Hamburg freilich nicht die Dauerfavoriten Hans Neuenfels und Peter Konwitschny die Palme auf der Krone davon; sondern noch etwas depperter zeigte sich die "beklemmend aktuelle" (FR) Wagnersche Nürnberg-Oper in Frankfurt unterm Regiediktat des ewigen und schon fast rührenden Einfaltspinsels Christof Nel; aber auch er wurde im letzten Moment noch ausgepunktet von Andreas Homoki, dem bei seiner Münchner "Manon Lescaut" exakt zwei komplette Stunden lang aber auch nicht ein einziger sinnhaltiger Einfall oder Handgriff unterlief. "Das und nur das ist der Inhalt unserer Kultur", wußte Karl Kraus bereits 1928, "die Rapidität, mit der uns die Dummheit in ihren Wirbel zieht", und bei Homocki besonders wirbelig und taumelig. Obwohl das ja nach Kraus der Operette vorbehalten sein soll. Oder heutzutage eben Matthias Horx, der 2002 mit der Forderung nach "gesteigerter Selbstkompetenz" seinen Pflichtbeitrag brav ablieferte; und doch wieder mal weder den "Sprachpanscher" noch wenigstens das "Unwort des Jahres" dafür abkassierte. Das kriegt auch Franz Josef Wagner nicht, obschon auch er am 11.9. in Bild sehr selbstkompetent des 1. Jahrestags des 11.9. und des damaligen "azurblauen Himmels" gedachte - kurz darauf zog Christiane Weiss für den resignierenden "Kulturpudel" (Schröder) Nida-Rümelin im Kulturpudelministerium ein und brachte dem Kanzler als Morgengabe auch schon die von ihr kreierten Kulturwörter "Vergnügungskultur", "Bewirtungskultur", "Kultur der Be-ziehungen", "Reklamekultur", "Kultur des kleinen Verkaufs" und als akuten Saisonseller die "Kultur des Staates zum Bürger" mit - ihrerseits Herta Däubler-Gmelin (SPD) mußte andererseits wegen ihres Vergleichs Bush-"Adolf Nazi" vom Amte retirieren - zu Recht, das hat der alte Reichskanzler a.D. nicht verdient. Vermutlich auch nicht der angestammte Gipfelschleimer Thierse den überraschenden Vergleich mit Göring, den Altkanzler H. Kohl noch kurz vor der Wahl erfreulich bedenken-, ja gedankenlos aus dem Hute zauberte. Statt aber dankbar zu sein, maulte er auf. In der Zeit kam es kurz vorm Wahltag gewohnheitsgemäß dazu, daß 32 Schriftsteller ihre Gründe auseinanderlegten, warum sie den oder jenen und warum überhaupt oder vielleicht besser doch nicht bzw. schon, aber "mit Zähneknirschen" (R. Giordano, er ist wirklich der Dööfste von allen), eben doch wieder. Zwei Tage vor dem 22.9. aber rief Jockel Fischer auf dem Frankfurter Opernplatz, deshalb bejubelt von seinen Fans, mit Whiskystimme forte quengelnd aus: "Hier wurde ein Tabu durchbrochen!" - nämlich laut Jockel durch Möllemanns angeblich antisemitische Äußerungen; und hier purzelte denn offenbar alles durcheinander, denn bisher galt es ja auch unter Grünen eigentlich als förderlich, fast lobenswert, in der Kontinuität von Aufklärung Denkverbote zu "durchbrechen"; war aber wohl im Sinne des frappant erfreulichen Wahlausgangs besser, daß keiner dem Fischer das gesagt hat. Vorher schon war es im Dresdner Hochwasserkontext zu der, gleichwertig neben Scharpings Neuausstattung, zweitgrößten Torheit des Jahres gekommen, nämlich per Meinungsäußerung einer betroffenen DDR-Bürgerin: "In der DDR hat es das nicht gegeben, da hat sich der Staat darum gekümmert, daß uns so was nicht passiert" - andererseits hat eben dadurch die damit bezahlte Mauer im Kopf als stupor mundi gehalten. Der Verdacht freilich, daß unterm Strich die Frauen trotz härtester Gegenargumente wohl doch noch den Hauch eines Quent dümmer sind als der Rest, den erhärtet ein FAZ-Leserbrief aus Köln, nämlich durch eine zum zweiten doch wohl prima inter pares, Margit Heiber, zum Fall des feigen Romanattentats M. Walsers auf "unseren hervorragendsten und interessantesten Literaturkritiker" (Heiber), mit der zwingenden Konsequenz als schwerer Hieb der restverbleibenden ultima ratio: "Sollten die deutschen Juden eines Tages der Meinung sein, unser Land verlassen zu müssen, so müßten alle anständigen Bürger mit ihnen gehen." Rechnet man zu den ca. 70000 momentan in Deutschland lebenden Juden die bibelüblichen 10 Prozent Gerechte hoch, so wären bei 80 Mio. Deutschen summa summarum 8070000 Exodisten zu veranschlagen. Wer nimmt sie auf, wohin sollen sie "gehen"? China? Zu weit. Israel? Zu klein. Die Schweiz? Zu gebirgig und letztlich auch zu einwandererunfreundlich. Vorschlag zur Güte: Mögen sie halt zu Fuß nach Kölle john. |
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