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September 2002
Wahl 2002 Im Schatten des Gatten (Seite 2 von 7) |
Es ist einer dieser Tage, an denen frau nicht mehr weiß, wo ihr der Kanzlergattinenkopf steht: Doris Schröder-Köpf, im stilvollen grauen Hosenanzug mit modischen Trensenapplikationen, eröffnet mit dem 13. Gabi-Dohm-Ähnlichkeitswettbewerb heute schon die dritte Veranstaltung, zwei weitere (Wieherhilfswerk, Elternabend) stehen noch auf dem Programm. Mit routiniertem Lächeln schüttelt sie Hände, verscheucht ein paar Bremsen und äpfelt unauffällig in die Rabatten. Auch wenn sie nicht dafür bezahlt wird: Das ist ihr Job. Zur gleichen Zeit steht Karin Stoiber auf dem Bad Tölzer Marktplatz und raucht Kette. Ihr Mann ruft gerade von der Wahlkampfbühne herunter, mit der Kommunistenherrschaft in Deutschland müsse es ein Ende haben, die Zeit sei voll, das Maß sei abgelaufen, und überhaupt. "Ich will Ihnen mal was sagen", hustet die zierliche Blondine zwischen zwei krachenden Lungenzügen heraus, "diese Raucherei bringt mich noch um. Haben Sie mal Feuer?" Es ist Wahlkampf in Deutschland, und der wird nicht allein unter den beiden Kontrahenten ausgemacht. Die Wahl, das weiß man längst, wird von Frauen entschieden, und die schauen nicht nur, welcher der beiden Kandidaten die knackigeren Anzüge und den modischeren Hintern hat, sondern entscheiden sich mehr oder minder unbewußt auch für das jeweilige Rollenmodell, für das die beiden Kandidatengattinnen stehen: Hie die moderne ehemals alleinerziehende Horsepowerfrau mit eigener Karriere, da die rustikal grundierte Provinzmadame mit Bäckersfraucharme, die Kinder, Küche und Kirche schön im Kuhdorf läßt. Herd gegen Pferd: So jedenfalls will es das Klischee, das seit Wochen aus den Redaktionsstuben in die Republik geblasen wird. Die Wahrheit ist, wie immer, viel lustiger und liegt irgendwo in der (neuen) Mitte. Denn es ist ja keinesfalls so, daß die beiden Frauen, wenn auch durch eine Generation getrennt, keine Gemeinsamkeiten hätten: Beide kommen aus einem strengen katholischen Elternhaus, tragen gerne Unterwäsche und heißen nicht Erwin. Beide haben die gleiche Einstellung zu Gruppensex, Weltkrieg und bemannter Raumfahrt. Beide haben eine konservative Wertvorstellung, die ihnen z.B. verbietet, an Heiligabend in den Punsch zu pinkeln oder die Kinder ohne Abendbrot in den Wäschetrockner zu sperren. Und, schließlich, beide haben sich mit ihrer Rolle als Frau an der Seite eines Politikers abgefunden und versuchen, das Beste daraus zu machen. |
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