Inhalt der Printausgabe
August 2002
Vom Fachmann für Kenner (Seite 15 von 16) |
Sommer in der Stadt Der blendend obskure Fernsehsender "B.TV", "das erste private Regionalfernsehprogramm Deutschlands" o.s.ä., nämlich aus und für Baden-Württemberg, lebt von Lokalnews, Uraltserien deutscher wie internationaler Produktion sowie einer pausenlos über den unteren Bildrand ziehenden Nachrichtengirlande ("+++TANKSTELLENÜBERFALL IN ESSLINGEN, 12 TOTE+++") und verfügt außerdem über das m.E. beste Heimwerkerprogramm überhaupt: Neulich nachts wurde eine Dame in den sog. besten Jahren beim Tapezieren gezeigt. Sie trug nur einen Kittel und nichts drunter und mühte sich , auf einem Tapeziertisch stehend, mit Überkopf-Deckentapezieren, was auch für den Könner gar nicht so leicht ist, für halbnackte Damen, die ganz offenbar noch nie eine Tapetenrolle oder einen Kleisterpinsel in der Hand gehabt haben, aber geradezu ein Ding der Unmöglichkeit. Entsprechend fiel die Tapetenbahn sofort wieder herab, Kleister tropfte wohl hinterher, die Dame probierte es unter erotisiertem Glucksen und fahrigem Pinselgewische noch einmal, bis die Bahn gerechterweise nicht mehr zu gebrauchen war und ihr auf den Brünettkopf regnete; für die engagierte Tapezeuse ein Grund mehr, sich des störenden Kittels, der bei der Überkopfübung schon ein ums andere Mal frivol verrutscht war, ganz zu entledigen, das Tapezieren erst einmal sein zu lassen und sich lieber minutenlang und von oben bis unten mit Tapetenkleister einzureiben, weil das, so sie, "gut für die Haut" sei. Als sie damit fertig war, nahm sie einen großen Malerpinsel und begann, sich anzustreichen, nämlich weiß und wiederum von oben bis unten, dabei abermals ein sehr patentes Gurren von sich gebend, um dann zu guter Letzt zur Zimmerwand zu gehen und den getünchten Busen dranzudrücken, der dann auch einen zwar verwaschenen, aber doch recht schmucken Abdruck hinterließ. Die sympathische Heimwerkerin sagte: "So, das war's!" und lächelte suggestiv. Dann war Schluß. "Der Unsinn des ›Mach es selber‹ … liegt auf der Hand" (Th.W. Adorno, 1969), aber was ein echter Handwerker ist, der schere sich nicht darum; schon gar nicht nachts und bei der Hitze. Stefan Gärtner
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