Inhalt der Printausgabe
August 2000
Wie TITANIC einmal die Fußball-WM 2006 nach Deutschland holte
Protokoll einer erfolgreichen Bestechung (Seite 1 von 13) |
15. Dezember 1998 Franz Beckenbauer übernimmt die deutsche Bewerbung um die WM 2006. In den nächsten anderthalb Jahre folgen Weltreisen mit dem Golfschläger, kleineren Gastgeschenken und Hausbesuchen bei Mitgliedern des FIFA-Exekutiv-Komitees, die mit 20 Millionen Mark zu Buche schlagen. 5. Juli 2000 14.00 Uhr (MEZ) Europa: Zürich Franz Beckenbauer präsentiert die deutsche Bewerbung vor den 24 Mitgliedern des FIFA-Komitees. Über lange Minuten schwadroniert der Kaiser schwitzend darüber, daß es in Deutschland ein gutes Straßennetz sowie wunderbare Hotelzimmer gebe, und daß eigentlich alle 80 Millionen Deutschen heute hätten mitkommen wollen, daß dafür aber nicht genügend Platz auf der Bühne sei. Leider reicht der Platz aber aus für Boris Becker, Thomas Bach, Claudia Schiffer, Günter Netzer und Gerhard Schröder, die schweigend und mit verbissenem Dauerlächeln eine halbe Stunde lang neben Beckenbauer herumstehen und ihre Daumen drücken. 14.30 Uhr (MEZ) Europa: Frankfurt In der TITANIC-Redaktion, die gar nicht wußte, daß auch sie mit nach Zürich kommen wollte, wird der Auftritt als belustigend und hochpeinlich empfunden. 16.00 Uhr (MEZ) Europa: Zürich Die Stimmung innerhalb der deutschen Delegation ist gedämpft. Trotz millionenschwerer Wirtschaftsverträge, die DaimlerChrysler und Siemens in den letzten Tagen mit stimmberechtigten asiatischen Staaten geschlossen haben, rechnet man nach dem Rückzieher Brasiliens und der entsprechenden Blockbildung im Komitee mit dem Zuschlag für die Südafrikaner. 22.40 Uhr (MEZ) Europa: Frankfurt-Bockenheim Nach dem Abendbrot, reiflicher Überlegung und ein paar Bieren beschließt TITANIC-Chefredakteur Martin Sonneborn spontan, das Ruder herumzureißen, fährt noch einmal in die Redaktion und entwirft an seinem Computer das erste Bestechungsschreiben. 23.15 Uhr (MEZ) Europa: Frankfurt/Zürich Nach einem Anruf im Grand Hotel Dolder in Zürich, bei dem die Dame an der Rezeption verspricht, die angekündigten "hochwichtigen Nachrichten" direkt an die Adressaten weiterzuleiten, gehen sieben gleichlautende Faxe an die FIFA-Herren Chung (Südkorea) Warner (Trinidad), Teixeira (Brasilien), Al-Dabal (Tunesien), Bhamje (Botswana), Dempsey (Neuseeland) und Blazer (USA). Ausgewählt sind die sieben nach sportpolitischen Aspekten (die ersten sechs) bzw. nach ihrer Physiognomie (Chuck Blazer). Die Fax-Seiten, in denen ein Herr "Martin Hansen, Secretary TDES", noch einmal sein und Franz Beckenbauers Interesse an der Ausrichtung der WM 2006 bekräftigt, tragen weder Briefkopf noch sind sie unterzeichnet. Dafür wird dem Adressaten für seine Stimme ein kleines Geschenk ("a small gift") in Aussicht gestellt und um direkten Rückruf unter einer Frankfurter Telefonnummer gebeten. Wie sich später herausstellt, steckt eine diensteifrige Schweizer Hotelangestellte die Faxe in einen Umschlag und schiebt sie - in Anbetracht der späten Stunde - unter den Türen der FIFA-Mitglieder durch. Daß TDES für "TITANIC, das endgültige Satiremagazin" steht, weiß sie nicht. 23.55 Uhr (MEZ) Europa: Frankfurt/Zürich Niemand hat zurückgerufen. Aber es geht auch anders: Um 23.58 Uhr geht ein zweites Fax an Chuck Blazer auf die Reise. Hierin wird das annoncierte "small gift" erstmals konkretisiert: "A fine basket with specialities from the black forest, including some really good sausages, ham and - hold on to your seat - a wonderful KuKuClock! And a beer mug, too! Do we leave you any choice???" Offensichtlich nicht, der nächste Tag wird es zeigen! |
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