Inhalt der Printausgabe

 

Über die neue deutsche Filmhoffnung FLORIAN HENCKEL VON DONNERSMARCK

 

FLORIAN HENCKEL VON DONNERSMARCK konnte sein

Glück kaum fassen: Mit seinem kontroversen Film »Das Leben der anderen« gewann der gebürtige Kölner den ersten deutschen Auslandsoscar seit Volker Schlöndorffs »Die wunderbare Welt des kleinen Oscar Matzerath« (1980). Wie von der sprichwörtlichen »Tarantel« gestochen sprang der 2,40 Meter große Sproß eines alten schlesischen Adelsgeschlechts von seinem Sitz im Kodak Theater von Los Angeles, um alle in seiner Nähe zu küssen, zu drücken und freundschaftlich in den Unterleib zu boxen: FLORIAN HENCKEL VON DONNERSMARCK war plötzlich der Star des Abends und sein Film »Das Leben der anderen« mit Ulrich Mühe als Stasi der absolute Gewinner von allen. Er, FLORIAN HENCKEL VON DONNERSMARCK, hatte es natürlich immer gewußt, aber trotzdem!

 

Er hatte es geschafft, wenn auch nicht in der von ihm ursprünglich angepeilten Dokumentarfilmsparte, in die sein Film, »der als Absage an die Verharmlosung der DDR-Diktatur gilt« (Süddeutsche Zeitung), halt auch sehr gut gepaßt hätte, weil es genau so in der »DDR« eben gewesen war, wie von FLORIAN HENCKEL VON DONNERSMARCK geschildert: Ein fieser SED-Bonze läßt einen Schriftsteller abhören, weil er dessen Freundin ficken will, was den Sozialismus insgesamt in eher trübem Licht erscheinen läßt und sogar für die Stasi (Mühe) letzten Endes unattraktiv macht. Sorgfältig hatte sich der polyglotte Sohn eines Vielfliegers auf den delikaten Streifen vorbereitet und sämtliche Spiegel-Artikel und Knopp-Features zum nach wie vor wichtigen Thema Stasi/DDR gründlich durchgearbeitet, ehe er sich an das heikle Sujet heranwagte. Doch erst nachdem FLORIAN HENCKEL VON DONNERSMARCK sich den Leitspruch seines erklärten Vorbilds Arnold Schwarzenegger zu eigen gemacht hatte: »You can!«, ging es los mit dem Dreh an (Ost-)Berliner Originalschauplätzen. »Das Leben ist seinem inneren Wesen nach ein ständiger Schiffbruch« – ein fabelhafter, ein programmatischer Satz, der aber nicht von FLORIAN HENCKEL VON DONNERSMARCK, sondern von Ortega y Gasset stammt, den der selbstbewußte Nachfahre feudaler Bauernleger natürlich für ein absolutes Arschloch hält. Denn »Schiffbruch« hat »FHvD«, wie ihn seine vielen Freunde nennen, mit seinem chirurgisch subtilen Drama um die zynischen Mechanismen der realsozialistischen Utopie ja eben nicht erlitten, sondern nacheinander Deutsche und Bayerische und Europäische Filmpreise abgeräumt und zusammengerafft und jetzt also auch den Oscar erhalten – zum nicht geringen Verdruß von u.a. Steven Spielberg, der auf seinen ersten Oscar immerhin zwanzig Jahre warten mußte. »Wahrscheinlich hat’s ihn doch etwas gegrämt, daß bei mir das gleich beim ersten Mal klappt, hähähä!« freute sich FLORIAN HENCKEL VON DONNERSMARCK da vor Fernsehkameras, vor die er mit der meisterhaften Parodie einer selbstgefälligen Adelshackfresse getreten war – »der Auftritt eines Mannes, der für Deutschland den Pokal holen wollte und Wort gehalten hat« (SZ) – und sich sichtlich freute, der von ihm durchaus kritisch bewerteten unterdrückerischen Gleichmacherei in der Ostzone bald zwanzig Jahre nach deren Ende noch ein couragiertes Schnippchen geschlagen zu haben. Schlange stehen für ein Pfund Westjeans, das soll und darf sich einfach nicht wiederholen, davon war und ist FLORIAN HENCKEL VON DONNERSMARCK überzeugt, dafür steht er ein, dafür hält er als engagierter Filmemacher seinen stets gutfrisierten Kopf hin. »Wo Macht ist, gibt es Machtmißbrauch, aber solange ich dagegen protestieren kann, ist das in Ordnung« – derart »souverän« (Verena Lueken in der FAZ, kaum weniger souverän) verteidigt der hochaufgeschossene Ex-Oxfordstudent und Barbourjackenfan seine demokratische Grundüberzeugung von der Macht der »freien Rede« (Habermas), die ihm, FLORIAN HENCKEL VON DONNERSMARCK, jederzeit gestattet werden muß und ja auch gestattet wird, weil es uns allen nützt, wenn Deutschland seinen Ruf als »Land wie andere auch« (A. Widmann in der staatskritischen Frankfurter Rundschau) verbessern kann, das vor Feinden von rechts und links gleichermaßen auf der Hut ist.

 

Unbeirrt, das ist zu einhundert Prozent sicher, wird unser FLORIAN HENCKEL VON DONNERSMARCK seinen Weg weitergehen und kompromißlos die Meinung der Mehrheit vertreten, auch wenn es der Stasi nicht paßt. Damit es mit der allgegenwärtigen, von sämtlichen Massenmedien betriebenen Verharmlosung der DDR und ihrer beispiellosen Verbrechen ein für allemal ein Ende hat.

 

FLORIAN HENCKEL VON DONNERSMARCK, die neue Regiehoffnung aller Deutschen, will durchstarten und eben nicht, wie in einem verzeihlichen Anfall von Snobismus verkündet, »nur noch romantische Komödien drehen«, sondern hoffentlich einen Film über die RAF machen, der deren menschenverachtenden Zynismus und nazihafte Ganovengesinnung in einem neuen, kontroversen Licht erscheinen läßt und den Namen FLORIAN HENCKEL VON DONNERSMARCK endgültig zum Markenzeichen neuer deutscher Filmkunst jenseits aller Moden und Trends werden lassen wird; zum Marckenzeichen, gewissermaßen.

 

Augen geraadeee-aus!

Stefan Gärtner

ausgewähltes Heft

Aktuelle Cartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt