Humorkritik | März 2019

März 2019

Unlängst in Zeitungs Kulturtheil
Las ich ein slowenisches Gedicht
Des Kollegen Slowo Wenja
(Alle beide kannte ich nicht)

Das Gedicht war keins über die Flora
Und auch die Fauna kam kaum drin vor
Und es paßte weder ins tragische
Noch ins Humorressort

Horst Tomayer

Aus dem befreundeten Ausland

Im April 2016 habe ich mich an dieser Stelle über den Bachmannpreis für Sharon Dodua Otoo mokiert, aber Satire in Kinderprosa wird auch international ausgezeichnet, grad wenn es noch dystopische ist und etwa ein nach einer atomaren Großkatastrophe sich isolierendes Japan verhandelt: »Orangen wurden zu einem Festpreis verkauft, Briefmarken aber nicht. Obendrein waren die Preise für Briefmarken höchst unterschiedlich. Es gab die teuren, auf denen Schneehühner abgebildet waren, bin hin zu den allerbilligsten, auf denen ein Foto des Parlaments zu sehen war.« Derart heißer Stoff (Yoko Tawada, »Sendbo-o-te«, Konkursbuch Verlag) hat den US-amerikanischen National Book Award, Kategorie: »bestes übersetztes Buch«, vollauf verdient, falls nicht die Lust am Sprachklischee die Jury überzeugt hat: »Vor Wut schnaubende Klienten mit hochroten Gesichtern stürmten die Filialen der Banken …« Oder das allgemeine Weniger, das nach populärer Ansicht ja mehr ist: »Die Bewohner von Edo waren doch geradezu verrufen für ihre glühende Neugier für alles Neue und Exotische«, die sich von der Neugier auf längst Bekanntes (etwa »glühende Neugier«) so erfrischend abhebt. Die Autorin lebt seit bald 40 Jahren in Deutschland, schreibt japanisch und deutsch, und der Verlag hat ins Buch eine lange Liste ihrer Preise gedruckt. Er wird wissen, warum.

Warum, apropos, der britische Schriftsteller J.G. (oder JG) Ballard (1930–2009) von der dortigen linken Intelligenz angeblich sehr verehrt wird, hat sich mir nach der Lektüre des Romans »Millennium People« (2003, deutsch jetzt bei Diaphanes) ebensowenig erschlossen. Auch dieser Roman ist eine satirische Dystopie, wenn die Londoner Mittelschicht als »neues Proletariat« in einer Mischung aus Selbsthass und Verzweiflung auf die selbstgebauten Barrikaden geht und, begleitet von einem nihilistischen Intellektuellenkommando, den befreienden Bürgerkrieg sucht. Bemerkenswert nun, dass das formal einigermaßen indifferent an den Geschehnissen entlangerzählt ist, falls nicht der coole Gestus der überragend aufgeklärten Revolutionsavantgarde zählt, die uns über ihre überlegenen Ansichten jederzeit auf dem laufenden hält: »Kein Mittelklasserevolutionär kann die Barrikaden verteidigen ohne eine Dusche und einen großen Cappuccino«; wie die Tate Modern ja auch nicht in Flammen aufgehen müsste, wenn Kunst irgend mehr wäre als abgestanden bürgerlicher Quatsch. Weil, die Mittelklasse weiß es, alles seinen Preis hat, kostet das »tief wurzelnde Bedürfnis nach bedeutungslosem Handeln« den Leser, die Leserin freilich jene Lebenszeit, die mit 350 faden Seiten hartgekochter Wahllosigkeit zu verbringen ist (»Im Spiegelschrank, der mit genug Beruhigungsmitteln gefüllt war, um ganz Manhattan zu sedieren …«, wieso Manhattan?), mit Redundanz (»Die Luft begann aufzuklaren, als der Rauch verflog«), Bild- und Sachstuss: »eine von dem breit daherstolzierenden Fluss aufgeworfene Regenböe«, und die kongeniale Übersetzung deutscht nicht nur den englischen Verzicht aufs Plusquamperfekt gehorsam ein, sondern tut auch sonst das ihre: »Kay … ließ sich von den Abtrünnigen nicht verzagen.«

Wer sich da allerdings verzagen lässt, lässt sich denken.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Aha bzw. aua, Voltaren!

Das wussten wir gar nicht, was da in Deiner Anzeige steht: »Ein Lächeln ist oft eine Maske, die 1 von 3 Personen aufsetzt, um Schmerzen zu verbergen. Lass uns helfen. Voltaren.«

Mal von der Frage abgesehen, wie Du auf die 1 von 3 Personen kommst, ist es natürlich toll, dass Du offenbar eine Salbe entwickelt hast, die das Lächeln verschwinden lässt und den Schmerz zum Vorschein bringt!

Gratuliert salbungsvoll: Titanic

 Ah, »Galileo«!

Über die Arbeit von Türsteher/innen berichtest Du: »Viele Frauen arbeiten sogar als Türsteherinnen«. Wir setzen noch einen drauf und behaupten: In dieser Branche sogar alle!

Schmeißen diese Erkenntnis einfach mal raus:

Deine Pointen-Bouncer von Titanic

 Bild.de!

»Springer hatte im Januar bundesweit für Entsetzen gesorgt«, zwischentiteltest Du mit einem Mal überraschend selbstreferenziell. Und schriebst weiter: »Nach der Enthüllung des Potsdamer ›Remigrations‹-Treffens von AfD-Politikern und Rechtsextremisten postete Springer: ›Wir werden Ausländer zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimnis. Das ist ein Versprechen.‹« Und: »In Jüterbog wetterte Springer jetzt gegen ›dahergelaufene Messermänner‹ und ›Geld für Radwege in Peru‹«.

Dass es in dem Artikel gar nicht um Dich bzw. den hinter Dir stehenden Arschverlag geht, sondern lediglich der Brandenburger AfD-Vorsitzende René Springer zitiert wird, fällt da kaum auf!

Zumindest nicht Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
01.05.2024 Berlin, 1.-Mai-Fest der PARTEI Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
02.05.2024 Dresden, Schauburg Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
03.05.2024 Stuttgart, Im Wizemann Martin Sonneborn mit Sibylle Berg