Humorkritik | November 2018

November 2018

Lachen ist auch so eine Kraft der Schwachen!
Bertolt Brecht

Amüsieren vs. Einschlafen

Podcasts verfolgen die verschiedensten Zwecke: Informieren, Belehren, Amüsieren – oder das genaue Gegenteil, in Gestalt sog. »Einschlaf-Podcasts«. Deren Konzept: Irgend jemand erzählt irgend etwas besonders Ödes, und das mit so öder Stimme wie möglich. »Langweilig – mit Absicht!« betont beispielsweise Toby Baier, der Primus unter den Audio-Sandmännern, bei dessen wöchentlichem Podcast angeblich bis zu 100 000 Hörer entschlummern. Das klingt dann so: »Hmm, ich könnte morgen zur Arbeit mit dem Auto ganz durch den Tunnel fahren… wenn der frei ist… das dauert ungefähr fünfzig Minuten…« Eine ganze Stunde lang plaudert Bayer mit bemerkenswert nichtssagender Stimme über seine Nachttischschubladen oder seinen Schnupfen. Zwischendrin will er aber auch noch Spaß haben, etwa, wenn er darüber schwätzt, wo sein Podcast überall läuft: »Facebook, oder wie heißt dieses andere?«, lacht, »ach ja, Youtube. Ja, ich habe auch einen Youtube-Kanal«, lacht, »um den ich mich nicht kümmere!« Und hier deutet sich die Verzwicktheit des Genres an: Sind Einschlaf-Podcasts langweilig, erfüllen sie ihren Zweck – sind sie aber unterhaltsam, verfehlen sie ihn. Geradezu dysfunktional präsentiert sich auch etwa »Evis Schlummer-Podcast«: »Haaallo, hier ist wieder Eeevi«, tönt es dort so überartikuliert die Silben langziehend, dass noch der Volltrunkenste wieder aus dem Halbschlaf hochschreckt.

Wenn man schon nicht wegdämmern kann, sollte man sich aber wenigstens gut amüsieren. Hier komme ich ins Spiel – und rate zum Gute-Nacht-Geschichten-Podcast »Karate – ein kleiner gefährlicher Mann«. An Kinder gerichtet, unterhält er auch einen alten ungefährlichen Mann wie mich, allein schon durch die Inhaltsangaben: »Karate besucht ein kleinstädtisches Theater zu einer Aufführung eines spanischen Sozialdramas. Alles endet mit einer Polonaise.« »Lustig – mit Absicht!« könnte hier der Untertitel lauten. Wenn es aber doch Richtung Tiefschlaf gegen soll, empfehle ich statt der Einschlaf-Podcasts ein Hörbuch von Uwe Tellkamp. Denn was Tausende Fans über Baier behaupten: »Toby ist Meister darin, andere zu ermüden«, trifft auf die Dresdner Schlafmütze allemal zu.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Ganz schön unentspannt, Giorgia Meloni!

Nachdem Sie eine Klage wegen Rufschädigung eingereicht haben, wird nun voraussichtlich ein Prozess gegen den britischen Rockstar Brian Molko eingeleitet. Dieser hatte Sie bei einem Konzert seiner Band Placebo in Turin als Nazi und Faschistin bezeichnet.

Wir finden, da könnten Sie sich mal etwas lockermachen. Wer soll denn bitte noch durchblicken, ob Sie gerade »Post-«, »Proto-« oder »Feelgood-« als Präfix vor »Faschistin« bevorzugen? Und: Wegen solcher Empflichkeiten gleich vor Gericht zu gehen, kostet die Justiz so viel wertvolle Zeit. Die könnte sie doch auch nutzen, um Seenotretter/innen dingfest zu machen oder kritische Presse auszuschalten. Haben Sie darüber schon mal nachgedacht, Sie Snowflake?

Schlägt ganz gelassen vor: Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Ach, Scheuer-Andi,

wie der Spiegel meldet, wird niemand für Sie in den Bundestag nachrücken. Da scheinen die Fußstapfen wohl einfach zu groß zu sein.

Die Besten gehen immer zu früh …

Weiß Titanic

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

 Aha bzw. aua, Voltaren!

Das wussten wir gar nicht, was da in Deiner Anzeige steht: »Ein Lächeln ist oft eine Maske, die 1 von 3 Personen aufsetzt, um Schmerzen zu verbergen. Lass uns helfen. Voltaren.«

Mal von der Frage abgesehen, wie Du auf die 1 von 3 Personen kommst, ist es natürlich toll, dass Du offenbar eine Salbe entwickelt hast, die das Lächeln verschwinden lässt und den Schmerz zum Vorschein bringt!

Gratuliert salbungsvoll: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 Spielregeln

Am Ende einer Mensch-ärgere-dich-nicht-Partie fragt der demente Herr, ob er erst eine Sechs würfeln muss, wenn er zum Klo will.

Miriam Wurster

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
03.05.2024 Stuttgart, Im Wizemann Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella
04.05.2024 Jena, F-Haus Martin Sonneborn mit Sibylle Berg