Humorkritik | Oktober 2015

Oktober 2015

»Nach unseren bisherigen Erkenntnissen ist das Lachen bei Menschenaffen ehrlich. Vermutlich fehlen ihnen die neuronalen Voraussetzungen zum gestellten Lachen.«
Univ. Prof. Dr. Elke Zimmermann

In memoriam G. Bronner

»Ich hab zwar ka Ahnung, wo i hinfahr/ Aber dafür bin i g’schwinder durt.«

Noch nie war das Zitat aus dem Bronnerschen Couplet wahrer als jetzt – und wird es erst recht ab dem Jahr 2026 sein, dann, wenn der neue Brenner-Basistunnel München-Verona fertig sein soll. Mit dem Ergebnis, daß man von der Isar- bis zur Etschstadt nicht mehr wie jetzt 5 1/2 Stunden, sondern nur mehr 2 1/2 braucht. Allerdings auch von den g’schwind durchfahrenen Alpen zwischen Innsbruck und Bozen praktisch nichts mehr sehen muß. Ja, in fortgeschrittenen Fällen dann eben auch vergessen haben dürfte, wo man da eigentlich ist und hinbrummt; in einem speziellen Auswuchs der »schnellen Bewegung« des Verkehrswesens, des »Schrumpfens der Erde« (Paul Virilio), ihres materialen Raum-Zeit-Widerstands zugunsten einer auch heute noch immer ein wenig revolutionär anmutenden »Vitesse«.

Der 2007 verstorbene Kabarettist, Komponist und Textdichter Gerhard Bronner, der dieser Tage 93 geworden wäre, war ein Genie. Das war sein langjähriger Kollege, Freund, späterhin Freundfeind und Lieblingsinterpret Helmut Qualtinger zwar auf andere und ergänzende Art auch – dieser aber viel gefeierter und populärer, obschon der Spiritus rector des Duos Bronner hieß. Die Welt ist halt ungerecht.

G. Bronner war und ist, manchmal im Teamwork mit Qualtinger, Autor der noch heute altgedienten Kennern geläufigen und halbwegs auswendig rezitablen Couplets und Sologesänge wie »Der g’schupfte Ferdl«, »Der Wilde mit seiner Maschin’«, »Der Bundesbahnblues« und »Der Papa wird’s schon richten«. Vor allem dieser letztere Gesang stellt ein besonders unsterbliches, ein fast Wort für Wort bildschönes, brillantes Reimwerk vor, angeschmiegt an einen speziellen Fall österreichischer Beamtenkorruptivität und schon allzu toleranter Paterfamiliaswurschtelei. Glänzender als all die satirische Aufklärung wirkt heute noch das Beiwerk, das spirituelle Milieu: Leben und Treiben und äußerst einnehmendes Feschitäts-Gerede der damaligen Wiener sogenannten Jeunesse dorée, des »Gießhübl, Puntigam und ich« – alles undenkbar und unsingbar ohne den speziellen Dialekt und Idiolekt und Halbweltsound –, und aus ebendiesen enormen, letztlich allesverzeihenden Charme beziehend. In seiner Teil-Autobiographie »Meine Jahre mit Qualtinger« (2003) berichtet Bronner die höheren Zufälle des Entstehens etwa des »Bundesbahnblues«, einer Odyssee des erstmals an der Donau gastierenden Louis Armstrong rund um den Bahnhof von Attnang-Puchheim am Rand des Salzkammerguts. Oder auch die Entstehung des »Wilden mit seiner Maschin’«, bezugnehmend auf das damals in Wien immer unwiderstehlicher werdende Jugendleitbild Marlon Brando. Die Mühe, auf diesen Namen plausible Reime zu erfinden, sei ihm, Bronner, immerhin erleichtert worden durch die poesieschöpferische Genialität des Wienerischen, das ihm Pärchen gestattet habe wie »Brando / G’wand o« (er zieht sich zum Motorradfahren ein besonders fesches Gewand an); oder, noch einleuchtender, das Wort aus Vatermund über den der bärenstarken Maschin’ schon allzu ergebenen Herrn Sohn, dem gehe halt »der Verstand o« = ab.

Aber dafür, wie schon gesagt, ist er eben »g’schwinder durt«. Wo auch immer. Und wo er wahrscheinlich gar nicht hin will.

Und zu den Opernfestspielen in Verona – zu denen schon gleich gar nicht. Zu diesen zukünftig allenfalls dann, wenn es mal in 1 1/2 Stunden von Wien aus geht.

Nein, dann erst recht nicht.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Warum, Internet?

Täglich ermöglichst Du Meldungen wie diese: »›Problematisch‹: Autofahrern droht Spritpreis-Hammer – ADAC beobachtet Teuer-Trend« (infranken.de).

Warum greifst Du da nicht ein? Du kennst doch jene Unsichtbar-Hand, die alles zum Kapitalismus-Besten regelt? Du weißt doch selbst davon zu berichten, dass Millionen Auto-Süchtige mit Dauer-Brummbrumm in ihren Monster-Karren Städte und Länder terrorisieren und zum Klima-Garaus beitragen? Und eine Lobby-Organisation für Immer-Mehr-Verbrauch Höher-Preise erst verursacht?

Wo genau ist eigentlich das Verständlich-Problem?

Rätselt Deine alte Skeptisch-Tante Titanic

 Aha bzw. aua, Voltaren!

Das wussten wir gar nicht, was da in Deiner Anzeige steht: »Ein Lächeln ist oft eine Maske, die 1 von 3 Personen aufsetzt, um Schmerzen zu verbergen. Lass uns helfen. Voltaren.«

Mal von der Frage abgesehen, wie Du auf die 1 von 3 Personen kommst, ist es natürlich toll, dass Du offenbar eine Salbe entwickelt hast, die das Lächeln verschwinden lässt und den Schmerz zum Vorschein bringt!

Gratuliert salbungsvoll: Titanic

 Verehrte Joyce Carol Oates,

da Sie seit den Sechzigern beinah im Jahrestakt neue Bücher veröffentlichen, die auch noch in zahlreiche Sprachen übersetzt werden, kommen Sie vermutlich nicht dazu, jeden Verlagstext persönlich abzusegnen. Vielleicht können Sie uns dennoch mit ein paar Deutungsangeboten aushelfen, denn uns will ums Verrecken nicht einfallen, was der deutsche Ecco-Verlag im Sinn hatte, als er Ihren neuen Roman wie folgt bewarb: »›Babysitter‹ ist ein niederschmetternd beeindruckendes Buch, ein schonungsloses Porträt des Amerikas der oberen Mittelschicht sowie ein entlarvender Blick auf die etablierten Rollen der Frau. Oates gelingt es, all dies zu einem unglaublichen Pageturner zu formen. In den späten 1970ern treffen in Detroit und seinen Vorstädten verschiedene Leben aufeinander«, darunter »eine rätselhafte Figur an der Peripherie der Elite Detroits, der bisher jeglicher Vergeltung entkam«.

Bitte helfen Sie uns, Joyce Carol Oates – wer genau ist ›der Figur‹, dem es die elitären Peripherien angetan haben? Tragen die Leben beim Aufeinandertreffen Helme? Wie müssen wir uns ein Porträt vorstellen, das zugleich ein Blick ist? Wird das wehtun, wenn uns Ihr Buch erst niederschmettert, um dann noch Eindrücke auf uns zu hinterlassen? Und wie ist es Ihnen gelungen, aus dem unappetitlich plattgedrückten Matsch zu guter Letzt noch einen »Pageturner« zu formen?

Wartet lieber aufs nächste Buch: Titanic

 Clever, »Brigitte«!

Du lockst mit der Überschrift »Fünf typische Probleme intelligenter Menschen«, und wir sind blöd genug, um draufzuklicken. Wir lernen, dass klug ist: wer mehr denkt, als er spricht, wer sich ungeschickt im Smalltalk anstellt, wer sich im Job schnell langweilt, wer sich mit Entscheidungen schwertut, wer bei Streit den Kürzeren zieht und wer ständig von Selbstzweifeln geplagt wird.

Frustriert stellen wir fest, dass eigentlich nichts von alledem auf uns zutrifft. Und als die Schwachköpfe, die wir nun einmal sind, trauen wir uns fast gar nicht, Dich, liebe Brigitte, zu fragen: Waren das jetzt nicht insgesamt sechs Probleme?

Ungezählte Grüße von Deiner Titanic

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

 Gebt ihnen einen Lebenszyklus!

Künstliche Pflanzen täuschen mir immer gekonnter Natürlichkeit vor. Was ihnen da aber noch fehlt, ist die Fähigkeit zu verwelken. Mein Vorschlag: Plastikpflanzen in verschiedenen Welkstadien, damit man sich das Naserümpfen der Gäste erspart und weiterhin nur dafür belächelt wird, dass man alle seine Zöglinge sterben lässt.

Michael Höfler

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

 Empfehlung für die Generation Burnout

Als eine günstige Methode für Stressabbau kann der Erwerb einer Katzentoilette – auch ohne zugehöriges Tier – mit Streu und Siebschaufel den Betroffenen Abhilfe verschaffen: Durch tägliches Kämmen der Streu beginnt nach wenigen Tagen der entspannende Eintritt des Kat-Zengarteneffekts.

Paulaner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
06.05.2024 Hannover, Pavillon Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
06.05.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
07.05.2024 Köln, Stadthalle Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
07.05.2024 Frankfurt am Main, Club Voltaire »TITANIC-Peak-Preview« mit Kathrin Hartmann