Humorkritik | Mai 2015

Mai 2015

»Ich hab früher auch viel mit Humor zu tun gehabt.«
Heino

Joffes Witzwaffen

Eine gewisse Angst beschlich mich, als ich Josef Joffes »Mach dich nicht so klein, du bist nicht so groß. Der jüdische Humor als WeisheitWitz und Waffe« in die Hand nahm. Nämlich die, daß der Siedler-Verlag Joffe einen fähigen Lektor zur Seite gestellt haben könnte und mir somit der Spaß, den ich an den Kolumnen des Zeit-Herausgebers und fröhlichen Gedanken- und Sprachrumplers habe, in diesem Buch verwehrt bleiben könnte. Doch schon die erste Seite des Vorworts beruhigte mich: Nicht nur erzählt Joffe etwas von einem »Stand-up Comic«, wo er »Stand-up-Comedian« meint, und präsentiert joffe-exklusives Wissen über die frühmenschliche Gesellschaft – »Wer die Aufmerksamkeit der Gruppe auf sich lenken oder sie zum Lachen bringen konnte, kriegte Punkte nicht nur bei anderen Kerlen, sondern auch bei Mädchen« (womit er elegant und nebenbei Frauen die Fähigkeit zur Komik abspricht) –, sondern haut auch gleich mit dem dritten einen Satz raus, der joffeischer nicht sein könnte: »Gute Geschichten mäandrieren nicht.« Das ist auf so viele Weisen falsch wie sonst nur seine Leitartikel. Denn selbst wenn wir außer acht lassen, daß das in bezug auf Texte geläufigere Wort »mäandern« den Satz weniger hätte mäandrieren lassen, können Geschichten (und Witze, die Joffe an der Stelle eigentlich meint) sehr wohl durch ausuferndes Erzählen an Komik gewinnen.

Wie auch Joffes Geschichte des jüdischen Humors, die – und an dieser Stelle muß man dem Lektor wohl zugestehen, daß er vor einer unlösbaren Aufgabe stand – wohl schwerer zu begradigen gewesen wäre als einst der Rhein: »Der lebendige jüdische Witz«, berichtet Komikkritiker Joffe auf Seite 11, »hat inzwischen eine neue, eine anglophone Heimat gefunden, vorweg in Amerika, gefolgt von Großbritannien und Kanada«. Bald schon: »Der anglophone jüdische Humor … ist in der Moderne des 20. und 21. Jahrhunderts zu Hause – nicht mehr im Ghetto, sondern in großen Städten von New York über Montreal bis London.« (S. 12) Aber auch: »Das Judentum ist … in Deutschland so gut wie unbekannt, weil es anders als in Amerika, England oder Frankreich kaum noch Juden gibt.« (S. 16) Bzw.: »Diese ›Produktionsanlage‹ [des klassischen jüdischen Witzes] ist ein für alle Mal geschlossen, aus bekannten Gründen … Die Herstellung läuft weiter, hauptsächlich in Amerika.« (S. 20) Und sieben Zeilen weiter: »Weil die größte jüdische Gemeinschaft seit dem Holocaust inzwischen anglo-amerikanisch ist (sieben Millionen in den USA und in Kanada, rund eine halbe Million in Großbritannien), tauchen in diesem Buch zahlreiche Witze aus dieser neuen Welt auf.« Und direkt im Anschluß: »Die ›Witzfabrik‹ ist von Europa über den Kanal und den Atlantik gewandert.« (S. 21) Wer jetzt noch nicht kichern muß ob dieser geballten Redundanz eines erklärten Nicht-Mäandrierers, dem erspare ich die Erwähnung weiterer Stellen ähnlichen Inhalts, und dem verschweige ich auch lieber die vielen Witz- und Prämissenerklärungen, die vor, nach und in den (zumeist müden, weil altbekannten) Witzen eingeschoben werden, samt der zigfach mitgelieferten Entschuldigung, daß Witzerklärungen den Witz töten. Und empfehle schlicht allen, die schon bei Hellmuth Karaseks noch mäandristischerem »Soll das ein Witz sein?« (TITANIC 01/12) meine masochistische Lachlust nachempfinden konnten, Joffes Buch selbst zu lesen.

Dem Vernehmen nach soll Joffe auf der Leipziger Buchmesse gemeinsam mit Karasek Lieblingswitze vorgetragen haben. Es muß sehr viel gelacht worden sein bei dieser Veranstaltung – wie anders hielte man so etwas aus.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Eher unglaubwürdig, »dpa«,

erschien uns zunächst Deine Meldung, Volker Wissing habe nach dem tödlichen Busunglück auf der A9 bei Leipzig »den Opfern und Hinterbliebenen sein Beileid ausgesprochen«. Andererseits: Wer könnte die Verstorbenen auf ihrem Weg ins Jenseits noch erreichen, wenn nicht der Bundesverkehrsminister?

Tippt aufs Flugtaxi: Titanic

 Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Vielen Dank, Claudia Schiffer!

Die Bunte zitiert Sie mit der Aussage: »Um zu überleben, muss man gesund sein, und wenn man am gesündesten ist, sieht man einfach auch am jüngsten aus!« Gut, dass Sie diese Erkenntnis an uns weitergeben!

Geht jetzt zur Sicherheit bei jeder neuen Falte, Cellulitedelle und grauen Strähne zum Arzt:

Ihre greise Redaktion der Titanic

 Wir wollten, »SZ«,

nur mal schnell Deine Frage »Gedenkbäume absägen. Hinweistafeln mit Hakenkreuzen beschmieren. Wer macht sowas?« beantworten: Nazis.

Für mehr investigative Recherchen wende Dich immer gerne an Titanic

 Ganz schön kontrovers, James Smith,

was Du als Mitglied der britischen Band Yard Act da im Interview mit laut.de vom Stapel gelassen hast. Das zu Werbezwecken geteilte Zitat »Ich feiere nicht jedes Cure-Album« hat uns jedenfalls so aufgewühlt, dass wir gar nicht erst weitergelesen haben.

Wir mögen uns nicht ausmalen, zu was für heftigen Aussagen Du Dich noch hast hinreißen lassen!

Findet, dass Provokation auch ihre Grenzen haben muss: Titanic

 Gute Frage, liebe »Süddeutsche«!

»Warum haben wir so viele Dinge und horten ständig weiter? Und wie wird man diese Gier wieder los?« teast Du Dein Magazin an, dasselbe, das einzig und allein als werbefreundliches Vierfarb-Umfeld für teuren Schnickschnack da ist.

Aber löblich, dass Du dieses für Dich ja heißeste aller Eisen anpackst und im Heft empfiehlst: »Man kann dem Kaufimpuls besser widerstehen, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich fragt: Wer will, dass ich das haben will?«

Und das weiß niemand besser als Du und die Impulskundschaft von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

 Im Institut für Virologie

Jeder Gang macht krank.

Daniel Sibbe

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Nicht lustig, bloß komisch

Während ich früher schon ein kleines bisschen stolz darauf war, aus einer Nation zu stammen, die mit Loriot und Heinz Erhardt wahre Zen-Meister der Selbstironie hervorgebracht hat, hinterfrage ich meine humoristische Herkunft aufgrund diverser Alltagserfahrungen jetzt immer öfter mit Gedanken wie diesem: Möchte ich den Rest meines Lebens wirklich in einem Land verbringen, in dem man während seiner Mittagspause in ein Café geht, das vor der Tür vollmundig mit »leckerem Hunde-Eis« wirbt, und auf seine Bestellung »Zwei Kugeln Labrador und eine Kugel Schnauzer« statt des fest eingeplanten Lachers ein »RAUS HIER!« entgegengebrüllt bekommt?

Patric Hemgesberg

 Mitgehört im Zug

»Prostitution ist das älteste Gewerbe der Welt!« – »Ja, aber das muss es ja nicht bleiben.«

Karl Franz

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
02.05.2024 Dresden, Schauburg Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
03.05.2024 Mettingen, Schultenhof Thomas Gsella
03.05.2024 Stuttgart, Im Wizemann Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
04.05.2024 Gütersloh, Die Weberei Thomas Gsella