Humorkritik | Juli 2015
Juli 2015
»So berührte er die beiden Pistolen in seinen Taschen; es blitzte in seinen scharfen grauen Augen plötzlich auf, und er brach in ein unbändiges Gelächter aus, wie er seit Dezennien nicht mehr gelacht hatte, in ein wahres Schulbubengelächter.«
Conrad Ferdinand Meyer, »Der Schuß von der Kanzel«
Unter einen Hut gebracht
Seit Jahren schon beobachte ich mit Wohlwollen die zweimonatlich erscheinende Pilzpostille Der Tintling. Ob die Welt der Mykologie im allgemeinen eine komische ist, und wenn ja, warum, müßte in anderem, größerem Rahmen geklärt werden; im Tintling jedenfalls wird eine sympathisch ironische Distanz zum Fach gepflegt, und die Beschäftigung mit den zaubrischen Lebewesen treibt die artigsten Blüten bzw. Sporen. Seien es eigentümliche Attributierungen von »pustelförmig« über »knorpelig-elastisch« bis »feinwarzig-gratig-runzelig«, seien es die faszinierend skurrilen Fundberichte der beitragenden Berufs- und Hobby-Pilzologen, seien es die Namen der Pilze an sich: Schmunzelanlässe bietet mir die Pilzzeitung in verläßlicher Regelmäßigkeit.
Nun hat die Herausgeberin und Chefredakteurin Karin Montag anläßlich des zwanzigjährigen Bestehens ein Buch zum Tintling gemacht oder vielmehr: gestemmt. Der Sieben-Pfund-Brocken »Cook mal Pilze!« (Verlag Der Tintling) eignet sich wahrlich nicht als Taschenbegleiter für den Waldspaziergang, sieht aber sehr chic aus im Mentzschen Gastroliteraturregal. »Eine Art Pilzkochbildernamenschnärzchenbuch aus der Abteilung ›Bücher, die die Welt nicht braucht‹« nennt die Autorin ihr Mammutwerk, welches neben Rezepten, Beschreibungstexten und Abermillionen Farbfotos auch mit Listen der Volksnamen sämtlicher behandelter Pilze in etlichen Sprachen aufwartet (wußten Sie, daß der Ahorn-Runzelschorf, vulgo »Flicklumpen«, in Finnland Vaahterantervatäpla und auf englisch Tar spot of maple heißt?). Das macht Spaß und ist – glauben Sie’s mir als interessiertem Laien – ganzjährig genießbar.