Humorkritik | Mai 2014

Mai 2014

Heil Hallervorden

Ins Kino wollte ich nicht, dann kam die Rezensionsplatte zum DVD-Start nicht pünktlich, und deshalb kann ich Sie, verehrte Leserin, verehrter Leser, erst mit Verspätung davon in Kenntnis setzen, daß es sich bei Dieter Hallervordens »furiosem Comeback« (FAZ) in der Rolle als alter Olympiasieger, der vom ungeliebten Altersheim aus den Berlin-Marathon mit- und also »zu Hochform aufläuft« (ZDF), weniger um einen der »schönsten Filme des Jahres« (Welt) gehandelt hat als um einen »Triumph« (TV Spielfilm), und zwar einen des Willens. »Sein letztes Rennen« – schlecht geschrieben, schlechter gefilmt, ganz unbedarft in Szene gesetzt – ist in seiner Verherrlichung von Durchhalten, nicht Aufgeben, Kämpfen bis zuletzt nicht »phänomenal«, »anrührend« oder »bewegend« (Hörzu/Brigitte/Stern), sondern Nazikino, so wie die Hauptfigur bloß einen historischen Wimpernschlag zu jung ist, um mit ihrer Maxime »Wer stehenbleibt, hat schon verloren« nach Stalingrad marschiert zu sein. Die große Zeit des Nichtstehenbleibens, bis alles in Scherben lag, ist der sog. Aufbaugeneration nur mehr als harte, aber schöne Nachkriegsprüfung erinnerlich, und nach dem Sieg des Vaters über sich und alle anderen kehrt die blonde Tochter (Heike Makatsch), die als Stewardeß ihr Ahasvertum mit Modernität verwechselt hat, in den Schoß der Kleinfamilie zurück.

»Witz« (Verleih) hat das, versteht sich, in keiner Sekunde, und wenn ich »Sein letztes Rennen« (Universum) trotzdem empfehle, dann als Lehrbeispiel dafür, wie quicklebendig Georg Seeßlens »Faschismus in der populären Kultur« ist: weil er wirklich niemandem mehr irgend auffällt. Der legendäre Flasche-Pommes-frites-Sketch (»Palim-palim«), von dem sich zum guten Schluß emanzipiert zu haben die Kritik dem »Charakterdarsteller« (Dpa) Hallervorden unisono angerechnet hat, ist dagegen die reine, wohltuende Anarchie, auf die ich, auf meinen letzten Metern, unendlich viel stolzer wäre als auf etwas, das dem Nationalhelden und Körperkulturschaffenden Til Schweiger ganz folgerichtig als »Meisterwerk« einleuchtet.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Chillax, Friedrich Merz!

Sie sind Gegner der Cannabislegalisierung, insbesondere sorgen Sie sich um den Kinder- und Jugendschutz. Dennoch gaben Sie zu Protokoll, Sie hätten »einmal während der Schulzeit mal einen Zug dran getan«.

Das sollte Ihnen zu denken geben. Nicht wegen etwaiger Spätfolgen, sondern: Wenn ein Erzkonservativer aus dem Sauerland, der fürs Kiffen die Formulierung »einen Zug dran tun« wählt, schon in der Schulzeit – und trotz sehr wahrscheinlichem Mangel an coolen Freund/innen – an Gras kam, muss dann nicht so ziemlich jedes andere System besseren Jugendschutz garantieren?

Sinniert

Ihre Titanic

 Gute Frage, liebe »Süddeutsche«!

»Warum haben wir so viele Dinge und horten ständig weiter? Und wie wird man diese Gier wieder los?« teast Du Dein Magazin an, dasselbe, das einzig und allein als werbefreundliches Vierfarb-Umfeld für teuren Schnickschnack da ist.

Aber löblich, dass Du dieses für Dich ja heißeste aller Eisen anpackst und im Heft empfiehlst: »Man kann dem Kaufimpuls besser widerstehen, wenn man einen Schritt zurücktritt und sich fragt: Wer will, dass ich das haben will?«

Und das weiß niemand besser als Du und die Impulskundschaft von Titanic

 Grüß Gott, Businesspäpstin Diana zur Löwen!

Du verkaufst seit Neuestem einen »Anxiety Ring«, dessen »bewegliche Perlen« beim Stressabbau helfen sollen. Mal abgesehen davon, dass das einfach nur das hundertste Fummelspielzeug ist, kommen uns von ihren Nutzer/innen glorifizierte und zur Seelenerleichterung eingesetzte bewegliche Perlen an einer Kette verdächtig bekannt vor.

Ist für Dich natürlich super, denn auch wenn Du Deinen treuen Fans skrupellos das Geld aus der Tasche ziehst, in die Hölle kommst Du zumindest für diese Aktion sicher nicht.

Auch wenn dafür betet:

Deine Titanic

 Hallihallo, Michael Maar!

In unserem Märzheft 2010 mahnte ein »Brief an die Leser«: »Spannend ist ein Krimi oder ein Sportwettkampf.« Alles andere sei eben nicht »spannend«, der schlimmen dummen Sprachpraxis zum Trotz.

Der Literatur- ist ja immer auch Sprachkritiker, und 14 Jahre später haben Sie im SZ-Feuilleton eine »Warnung vor dem S-Wort« veröffentlicht und per Gastbeitrag »zur inflationären Verwendung eines Wörtchens« Stellung bezogen: »Nein, liebe Radiosprecher und Moderatorinnen. Es ist nicht S, wenn eine Regisseurin ein Bachmann-Stück mit drei Schauspielerinnen besetzt. Eine Diskussionsrunde über postmoderne Lyrik ist nicht S. Ein neu eingespieltes Oboenkonzert aus dem Barock ist nicht S.«

Super-S wird dagegen Ihr nächster fresher Beitrag im Jahr 2038: Das M-Wort ist ja man auch ganz schön dumm!

Massiv grüßt Sie Titanic

 Ach, Scheuer-Andi,

wie der Spiegel meldet, wird niemand für Sie in den Bundestag nachrücken. Da scheinen die Fußstapfen wohl einfach zu groß zu sein.

Die Besten gehen immer zu früh …

Weiß Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Dual Use

Seit ich meine In-Ear-Kopfhörer zugleich zum Musikhören und als Wattestäbchen verwende, stört es mich gar nicht mehr, wenn beim Herausnehmen der Ohrstöpsel in der Bahn getrocknete Schmalzbröckelchen rauspurzeln.

Ingo Krämer

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Frage an die Brutschmarotzer-Ornithologie

Gibt es Kuckucke, die derart hinterhältig sind, dass sie ihre Eier anderen Kuckucken unterjubeln, damit die dann fremde Eier in fremde Nester legen?

Jürgen Miedl

 Finanz-Blues

Wenn ich bei meiner langjährigen Hausbank anrufe, meldet sich immer und ausnahmslos eine Raiffeisenstimme.

Theobald Fuchs

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
05.05.2024 Bonn, Rheinbühne Thomas Gsella
05.05.2024 Magdeburg, Factory Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
06.05.2024 Hannover, Pavillon Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
06.05.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner