Humorkritik | Juli 2012

Juli 2012

Der fiktive Baron

Sacha Baron Aron Cohen ist jetzt vierzig und hat bisher vier eigene Langfilme gedreht. Bei den mittleren beiden lagen die Reize vor allem in der Machart: Daß die Situationen, in die »Borat« und »Brüno« gerieten, weniger komisch gewirkt hätten, wären sie rein fiktional gewesen, ist klar. Auch der Anspruch auf eine in sich logische Handlungsführung fällt unter diesen semi-dokumentarischen Umständen natürlich weg.

»Der Diktator« greift zwar viele der hassenswerten Eigenschaften der bekannten Figuren auf, muß sich aber wohl oder übel um ein Handlungsgerüst bemühen. Das aber ist brüchig, löchrig und ansonsten aus bekannten Versatzstücken demonstrativ lieblos zusammengeschustert. Das Wechselspiel, bei dem einer, der lächerlich böse ist, mit einem anderen, der lächerlich gut ist, vertauscht wird, kennen wir spätestens seit Shakespeare. Während aber, im besten Fall, bei Chaplins »Great Dictator« der arme Doppelgänger eigenes Format gewinnt, konzentriert sich Cohen – wie Eddie Murphy im »Prinz aus Zamunda« – auf seinen exotischen Despoten und hat es verdächtig eilig, diesen (ohne seinen Diktatorenbart) in das dankbarste aller denkbaren Milieus zu versetzen: in einen feministisch geführten, multikulturell besetzten Veganerladen in Brooklyn.

Das klingt solide bzw. vielversprechend, reicht Cohen indes noch lange nicht. Dummerweise häuft er nun Einfälle, die weder mit der Handlung noch mit seiner Figur zwingend zu tun haben, und bedient dabei schamlos alle möglichen Erwartungen: Sein Film will Parodie und Satire zugleich sein, Slapstick und Nonsens, politisch mal korrekt, mal unkorrekt, geschmacklich mal vertretbar, mal unverträglich, beißend naiv und reizend ironisch – eben so zwiespältig wie Cohens eigene Leistung als Alleinunterhalter. Um durchgehend komisch zu wirken, müßte er als Darsteller weniger eitel auftreten und sich als Autor für eine Stillage entscheiden. Cohens »Diktator« liefert für jeden Verstand etwas, von dem kleinsten und gemeinsten bis hinauf zum Souverän – und das heißt: Der Film hat viel zuviele Komikebenen, um auf irgendeiner wirklich funktionieren zu können.

Was aber den kleinen Vorteil birgt, daß diese Unberechenbarkeit keine Langeweile aufkommen läßt – zumindest bei mir nicht.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Helen Fares, c/o »SWR« (bitte nachsenden)!

Sie waren Moderatorin des Digital-Formats MixTalk und sind es nun nicht mehr, nachdem Sie ein launiges kleines Video veröffentlicht haben, in dem Sie zum Boykott israelischer Produkte aufriefen, mit Hilfe einer eigens dafür programmierten App, die zielsicher anzeigt, wo es in deutschen Supermärkten noch immer verjudet zugeht (Eigenwerbung: »Hier kannst Du sehen, ob das Produkt in Deiner Hand das Töten von Kindern in Palästina unterstützt oder nicht«).

Nach Ihrem Rauswurf verteidigten Sie sich in einem weiteren Video auf Instagram: »Wir sind nicht antisemitisch, weil wir es boykottieren, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die Israel unterstützen. Ein Land, das sich vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Genozid verantworten muss, weil es Zehntausende von Menschen abgeschlachtet hat.« Da sich aber auch Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Beihilfe zum Genozid verantworten muss, war Ihre Kündigung beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ja ohnehin einvernehmlich, oder?

Kann es sich nicht anders vorstellen: Titanic

 Aha bzw. aua, Voltaren!

Das wussten wir gar nicht, was da in Deiner Anzeige steht: »Ein Lächeln ist oft eine Maske, die 1 von 3 Personen aufsetzt, um Schmerzen zu verbergen. Lass uns helfen. Voltaren.«

Mal von der Frage abgesehen, wie Du auf die 1 von 3 Personen kommst, ist es natürlich toll, dass Du offenbar eine Salbe entwickelt hast, die das Lächeln verschwinden lässt und den Schmerz zum Vorschein bringt!

Gratuliert salbungsvoll: Titanic

 Hey, »Dyn Sports«!

Bitte für zukünftige Moderationen unbedingt merken: Die Lage eines Basketballers, der nach einem Sturz »alle Viere von sich streckt«, ist alles Mögliche, aber bestimmt nicht »kafkaesk«. Sagst Du das bitte nie wieder?

Fleht Titanic

 Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Recht haben Sie, Uli Wickert (81)!

Die Frage, weshalb Joe Biden in seinem hohen Alter noch mal für das Präsidentenamt kandidiert, anstatt sich zur Ruhe zu setzen, kommentieren Sie so: »Warum muss man eigentlich loslassen? Wenn man etwas gerne macht, wenn man für etwas lebt, dann macht man halt weiter, soweit man kann. Ich schreibe meine Bücher, weil es mir Spaß macht und weil ich nicht Golf spielen kann. Und irgendwie muss ich mich ja beschäftigen.«

Daran haben wir, Wickert, natürlich nicht gedacht, dass der sogenannte mächtigste Mann der Welt womöglich einfach keine Lust hat, aufzuhören, auch wenn er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe ist. Dass ihn das Regieren schlicht bockt und ihm obendrein ein Hobby fehlt. Ja, warum sollte man einem alten Mann diese kleine Freude nehmen wollen!

Greifen Sie hin und wieder doch lieber zum Golfschläger statt zum Mikrofon, rät Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 Die wahre Strafe

Verhaftet zu werden und in der Folge einen Telefonanruf tätigen zu müssen.

Fabio Kühnemuth

 Immerhin

Für mich das einzig Tröstliche an komplexen und schwer zugänglichen Themen wie etwa Quantenmechanik, Theodizee oder den Hilbertschen Problemen: Letztlich ist das alles keine Raketenwissenschaft.

Michael Ziegelwagner

 Back to Metal

Wer billig kauft, kauft dreimal: Gerade ist mir beim zweiten Sparschäler innerhalb von 14 Tagen die bewegliche Klinge aus ihrer Plastikaufhängung gebrochen. Wer Sparschäler aus Kunststoff kauft, spart also am falschen Ende, nämlich am oberen!

Mark-Stefan Tietze

 Gute Nachricht:

Letzte Woche in der Therapie einen riesigen Durchbruch gehabt. Schlechte Nachricht: Blinddarm.

Laura Brinkmann

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
08.05.2024 Wiesbaden, Schlachthof Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
09.05.2024 Zürich, Friedhof Forum Thomas Gsella
09.05.2024 München, Volkstheater Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
10.05.2024 Weil am Rhein, Kulturzentrum Kesselhaus Thomas Gsella