Humorkritik | Mai 2010

Mai 2010

Kein Simpsons-Standardwerk

Jetzt, da die »Simpsons« wohl so ziemlich jeden Rekord gebrochen haben (die am längsten laufende Serie der Fernsehgeschichte, die erfolgreichste Komödie, das größte Merchandising-Imperium etc.), erscheinen pünktlich zum zwanzigjährigen Jubiläum auch die ersten Versuche, den Mythos in Frage zu stellen. Den ernsthaftesten Versuch bislang macht John Ortved mit seinem Buch »The Simpsons: An Uncensored, Unauthorized History« (Faber&Faber), das von der ersten bis zur letzten Seite von dem Ehrgeiz geprägt ist, nun aber wirklich die vollständige Wahrheit über die TV-Serie zu enthüllen.

 

John Ortved sieht die Simpsons differenziert: Zwar hält er sie für das größte Ereignis der Popkultur seit ihrer Entstehung, wirft ihnen allerdings vor, seit der neunten Staffel zu stagnieren und die Chance auf inhaltliche Entwicklung verpaßt zu haben. Dies ist nun keine sehr originelle Meinung, und so besteht das größte Verdienst von Ortveds Buch auch eher darin, daß man sich beim Lesen wieder daran erinnert, unter welch bescheidenen und  glücklichen Umständen die Simpsons 1989 in diese Welt kamen. Es brauchte einen Hippie-Zeichner mit einem Näschen für Merchandising (Matt Groening), einen oscar-gekrönten Filmemacher (James L. Brooks) und einen routinierten Sitcom-Profi (Sam Simon), um aus den kleinen Lückenfüllern der »Tracy Ullman Show« einen Serienerfolg zu machen. Und nicht zu vergessen Rupert Murdoch, der zwar damals schon stinkreich, aber mit seinem Krawallsender Fox noch der Underdog unter den amerikanischen TV-Networks war. Ohne seine vollen Taschen hätten die Simpsons wohl kaum die erste Staffel überlebt. Denn wenn die frühen Folgen auch heute rührend unbeholfen wirken, kostete damals eine Episode schon mehrere hunderttausend Dollar.

 

Wer eine inoffizielle Geschichte schreibt, findet in der Regel wenig Unterstützung von offizieller Seite. Zwar bekam der Autor Rupert Murdoch, TV-Star Conan O’Brien und viele andere, eher im Hintergrund Wirkende vors Mikro, aber von den o.g. großen Drei sprach keiner mit ihm. Und da selbst der von ihm verehrte Chef-Autor George Meyer ein Interview verweigerte, sah Ortved sich gezwungen, lange Passagen aus einem Artikel zu zitieren, den der New Yorker schon vor Jahren über Meyer veröffentlicht hat.

 

Bei der Beurteilung der Macher zeigt Ortved eindeutige Vorlieben. Wenn man seine Bewertung auf andere Pop-Ikonen umrechnet, ergibt sich folgendes Bild: Matt Groening hat wenig Einfluß auf die Geschichten und die Entwicklung der Serie, war aber, wie Yoko Ono, immer zur Stelle, wenn es um Vermarktung und Selbstdarstellung ging; James L. Brooks nimmt die Rolle des massenkompatiblen und manchmal kitschigen Paul McCartney ein; Sam Simon wäre der unterschätzte George Harrison, der von den anderen unterdrückt und an den Rand gedrängt wurde. Die John-Lennon-Rolle, der Serie Biß und gesellschaftliche Relevanz zu geben, füllten indes jene Chefautoren aus, die von Ortved geschätzt werden (George Meyer und wenige andere). Gegen Ende des Buches häufen sich Belanglosigkeiten, etwa in Interviews mit Betreibern von Simpsons-Webseiten und Kollegen – spätestens dann wird das Werk lähmend selbstreferentiell und ermüdet durch Wiederholung.

 

Dabei enthält das Buch durchaus neue Informationen. Ich wußte zum Beispiel nicht, daß Nancy Cartwright (Bart Simpsons Stimme) als bekennende Scientologin mittlerweile mehr Dollarmillionen für ihre obskure Organisation eingesammelt hat als Tom Cruise. Womit sie beweist, daß man einen ziemlichen Dachschaden haben und trotzdem an einer intelligenten Serie mitwirken kann. Ortveds Buch hingegen  zeigt, daß die Beschäftigung mit einem inspirierenden Thema auch ziemlich dröge enden kann.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Hello, Grant Shapps (britischer Verteidigungsminister)!

Eine düstere Zukunft haben Sie in einem Gastbeitrag für den Telegraph zum 75jährigen Bestehen der Nato skizziert. Sie sehen eine neue Vorkriegszeit gekommen, da sich derzeit Mächte wie China, Russland, Iran und Nordkorea verbündeten, um die westlichen Demokratien zu schwächen. Dagegen hülfen lediglich eine Stärkung des Militärbündnisses, die weitere Unterstützung der Ukraine und Investitionen in Rüstungsgüter und Munition. Eindringlich mahnten Sie: »Wir können uns nicht erlauben, Russisch Roulette mit unserer Zukunft zu spielen.«

Wir möchten aber zu bedenken geben, dass es beim Russisch Roulette umso besser fürs eigene Wohlergehen ist, je weniger Munition im Spiel ist und Patronen sich in der Trommel befinden.

Den Revolver überhaupt vom eigenen Kopf fernhalten, empfehlen Ihre Croupiers von der Titanic

 Könnte es sein, »ARD-Deutschlandtrend«,

dass Dein Umfrageergebnis »Mehrheit sieht den Frieden in Europa bedroht« damit zusammenhängt, dass seit über zwei Jahren ein Krieg in Europa stattfindet?

Nur so eine Vermutung von Titanic

 Weiter so, uruguayischer Künstler Pablo Atchugarry!

Eine angeblich von Ihnen geschaffene Bronzeskulptur im englischen Cambridge soll an Prinz Philip erinnern, der dort von 1977 bis 2011 Kanzler der Universität war. Allerdings wird das Kunstwerk, das im Auftrag eines reichen Bauträgers angefertigt wurde, von vielen als verunglückt empfunden und zieht seit nunmehr zehn Jahren Spott auf sich.

Dass Sie mittlerweile die Urheberschaft leugnen, um Ihr Renommee als Künstler zu schützen, ist zwar verständlich, aber aus unserer Sicht völlig unnötig. Wenn sich das Konzept durchsetzt, lästige Promis, die uns über Jahrzehnte viel Zeit, Geld und Nerven gekostet haben, mit langlebigen Schrott-Monumenten zu schmähen, werden Sie sich vor Aufträgen bald kaum noch retten können. Und das Beste: Weil andere Großkopferte sich mit ihren Eskapaden zurückhalten würden, um nicht von Ihnen verewigt zu werden, sorgten Sie auch noch für Ruhe und gesellschaftlichen Frieden.

Hofft, dass dieser Vorschlag einen Stein ins Rollen bringt: Titanic

 Hej, Gifflar!

Du bist das Zimtgebäck eines schwedischen Backwarenherstellers und möchtest mit einer Plakatkampagne den deutschen Markt aufrollen. Doch so sehr wir es begrüßen, wenn nicht mehr allein Köttbullar, Surströmming und Ikeas Hotdogs die schwedische Küche repräsentieren, so tief bedauern wir, dass Du mit Deinem Slogan alte Klischees reproduzierst: »Eine Schnecke voll Glück«? Willst Du denn für alle Ewigkeiten dem Stereotyp der schwedischen Langsamkeit hinterherkriechen? Als regierten dort immer noch Sozialdemokraten, Volvo und Schwedenpornos?

Damit wirst Du nie der Lieblingssnack der Metropolenjugend!

Sagen Dir Deine Zimt- und Zuckerschnecken von Titanic

 Kurze Anmerkung, Benedikt Becker (»Stern«)!

»Wer trägt heute noch gerne Krawatte?« fragten Sie rhetorisch und machten den Rollkragenpullover als neues It-Piece der Liberalen aus, v. a. von Justizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner, »Was daran liegen mag, dass der Hals auf die Ampelkoalition besonders dick ist. Da hilft so eine Halsbedeckung natürlich, den ganzen Frust zu verbergen.«

Schon. Aber wäre es angesichts des Ärgers der beiden Freien Demokraten über SPD und Grüne nicht passender, wenn sie mal wieder so eine Krawatte hätten?

Ebenso stilistisch versiert wie stets aus der Mode: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Vom Feeling her

Es hat keinen Sinn, vor seinen Gefühlen wegzulaufen. Man muss sich schon auch mal hinter einem Baum verstecken und warten, dass die das nicht merken und an einem vorbeiziehen, sonst bringt das ja alles nichts.

Loreen Bauer

 Citation needed

Neulich musste ich im Traum etwas bei Wikipedia nachschlagen. So ähnlich, wie unter »Trivia« oft Pub-Quiz-Wissen gesammelt wird, gab es da auf jeder Seite einen Abschnitt namens »Calia«, voll mit albernen und offensichtlich ausgedachten Zusatzinformationen. Dank Traum-Latinum wusste ich sofort: Na klar, »Calia« kommt von »Kohl«, das sind alles Verkohl-Facts! Ich wunderte mich noch, wo so ein Quatsch nun wieder herkommt, wusste beim Aufwachen aber gleich, unter welcher Kategorie ich das alles ins Traumtagebuch schreiben konnte.

Alexander Grupe

 100 % Maxx Dad Pow(d)er

Als leidenschaftlicher Kraftsportler wünsche ich mir, dass meine Asche eines Tages in einer dieser riesigen Proteinpulverdosen aufbewahrt wird. Auf dem Kaminsims stehend, soll sie an mich erinnern. Und meinen Nachkommen irgendwann einen köstlichen Shake bieten.

Leo Riegel

 Altersspezifisch

Ich gehöre noch zu einer Generation, deren Sätze zu häufig mit »Ich gehöre noch zu einer Generation« anfangen.

Andreas Maier

 In Würde altern

Früher hätte mich der riesige Pickel mitten auf meinem Hals stark gestört. Heute trage ich den wohl niedlichsten ausgeprägten Adamsapfel, den die Welt je gesehen hat, mit großem Stolz ein paar Tage vor mir her.

Ronnie Zumbühl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
30.04.2024 Hamburg, Kampnagel Martin Sonneborn mit Sibylle Berg