Humorkritik | Mai 2010
Mai 2010
Ein Pferd! Ein Pferd!
Ein gutes Erkennungszeichen für Humorbücher derzeit: das Antlitz des Autors auf dem Cover. Je größer, je verschmitzt-ulknudelhafter, auch je jugendlich-lausbübischer das Porträt, umso entsetzlicher der Inhalt. Der Comedian Johann König füllt auf seinem eben erschienenen Buch »Der Königsweg – Triumph der Langeweile« (S. Fischer) geschätzte 89% der Coverfläche, grinst uns mit renitent klassenkasperischer Kumpelhaftigkeit entgegen und läßt dabei auch noch seine prachtvolle Brustwolle aus dem Hemd hervorschmitzen. Fünf von fünf Punkten.
Internetforen, Smileys, Piercings, Anglizismen, Vokuhila-Typen, »Generation X«, Coffee to go, ›originelle‹ Barnamen, ironische Anführungszeichen, die Diddlmaus, Urlaub in Deutschland – das ist der Themen- und Formenschatz, der hier vor uns ausgebreitet wird, und man ahnt, daß König wie sein Publikum seine besten Zeiten hatte, als er diesen Glasperlenhort zusammengetragen hat: nämlich in den gräßlichsten Abschnitten der neunziger Jahre. In welchen Zusammenhängen könnte man sonst das »ich habe fertig« des ehemaligen Nationaltrainers Trappatoni quellenlos zitieren, ohne irritierte Blicke zu ernten? In welchen gesellschaftlichen Kreisen könnte man mit Uraltkindereien wie dem Wortspiel »an und pfirsich« Applaus heischen? Wer erquickt sich noch an Kolumnen, die mit dem Aufstehen und Brötchenholen beginnen? Was vor fünfzehn Jahren immerhin noch als Comedy funktionierte, hinterläßt im Jahr 2010 einen fast surrealen Leseeindruck.